Fordernde Thematik, spannendes Experiment

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sina2608 Avatar

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Zum Paradies ist der neue Roman der Autorin Hanya Yanagihara, die vor allem schon mit ihrem vorangegangenen Roman „Ein wenig Leben“ einen bleibenden Eindruck bei den Leser:innen hinterließ. Fabelhaft aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt hat Stephan Kleiner.

Die Autorin erzählt in „Zum Paradies“ drei Geschichten, alle spielen sie auf verschiedenen Zeitebenen, sind absolut eigenständig und weisen doch eine tiefe Verbindung auf.

Inhaltlich finden wir uns im ersten Teil im Jahr 1893 wieder, im mittleren Teil beginnen wir 1993 und im dritten Teil 2093. Auf eine inhaltliche Zusammenfassung der einzelnen Teile möchte ich verzichten, um nicht zu viel zu verraten. Freut Euch auf die Begegnungen mit David und Charles und noch vielen mehr.

Aber was gewiss ist und nicht zu viel verrät: In jeder Geschichte erleben wir Menschen im Umgang mit Freundschaft, Liebe, Fürsorge und Enttäuschungen. Uns werden die jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen (die unseren zum Teil gleichen, aber auch wiederum völlig abweichen) aufgezeigt, die gewisse Handlungen erwarten und unsere Protagonisten im System halten, oder ausbrechen lassen.

Das Buch wirft beim Lesen viele Fragen auf: Wo fängt Liebe an, wo hört sie auf? Beschützen wir die, die wir liebem oder sind unsere eigenen Bedürfnisse vordergründig? Passen wir uns dem System und den Erwartungen an, oder brechen wir aus? Welchen Einfluss haben unsere Entscheidungen auf andere, auf die Umwelt? Und auch, wenn alle diese Fragen unterschiedlich fühlen und beantworten mögen, sucht doch jeder nur das Gleiche – einen Weg in Glück und Frieden zu leben, glücklich zu sein.

Auch wenn bei Hanya Yanagihara vermutlich niemand ein einfach zu lesendes Werk erwartet, war der Roman stellenweise wirklich fordernd. Themen rund um Krankheiten und Pandemie stehen sehr im Vordergrund und sind wirklich sehr realistisch und beängstigend fühlbar beim Lesen.

Die Autorin wagt mit diesem Buch ein spannendes Experiment, auf das man sich als Leser:in versuchen sollte einzulassen – zugegeben, manchmal saß ich selber ratlos davor – bin aber wahnsinnig froh, an diesen Stellen nicht aufgegeben zu haben.

Trotz der fordernden Thematiken und belastenden Geschichten sind die geschriebenen Worte wunderschön und emotional und die Autorin hat es wieder einmal geschafft, mir ein besonderes und lange nachhallendes Leseerlebnis zu bereiten.

Erschreckend nah, erschreckend greifbar – lest das Buch und schaut, was es mit Euch machen wird.

Das Buch erscheint am 11.01.2022 im HC bei claassen, umfasst ungeheure 894 Seiten und wird 30,00 Euro kosten.