Interessante Variante von einem Leben zu unterschiedlichen Zeiten und unter unterschiedlichen Bedingungen

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ava_lon Avatar

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Cover
Ein Gesicht steht im Mittelpunkt und schon der Gesichtsausdruck lässt viele Interpretationen zu. Je nachdem wie ich mich fühle sehe ich in diesem Gesicht etwas ähnliches.

Ein Wort vorneweg
Meine Rezensionen können sowohl Spoiler enthalten als auch Analysen und Bewertungen, wobei der Schwerpunkt auf meinen persönlichen Eindrücken liegt.

Mein Eindruck
Es ist mein erstes Buch von der Autorin und ich war sehr gespannt auf diesen Roman.
Und nun kommt schon meine erste Einschränkung, denn ich finde vielleicht nicht die richtigen Worte, um meine Eindrücke und Gefühle beim Lesen der Geschichte zu beschreiben.
Die anfängliche Euphorie verblasste schon nach kurzer Zeit, denn die erste Geschichte die in 1893 spielte empfand ich als „normal“, nicht besonders außergewöhnlich, eigentlich recht trivial, wobei die Details der Gedankenwelt von dem jungen Mann David und seiner Empfindungen dagegen wiederum spannend und detailreich waren. So interessant es auf der einen Seite war, so langweilig war es andererseits. Die Gedankenspiralen wurden zwar sehr ausführlich beschrieben, letztlich kreisten die Gedanken jedoch nur um die Vergangenheit oder um die mögliche Zukunft. Auch als Charakter fand ich ihn eher langweilig und wahrlich altbacken.
Die Rückblenden machten mich teilweise neugierig, allerdings fanden die Fragen die mir auf der Zunge lagen – wieso, weshalb warum ist David so wie er ist – keine wirklichen Antworten. Die Beschreibungen der Welt dagegen waren eher spröde und sie zeigten zwar ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Kolonien, doch die Menschen darin waren eher unwichtig. Zumindest habe ich sie nicht gesehen oder nicht verstanden.
Der Handlungsverlauf war sehr gebunden durch die vielen spiraligen Gedanken des Protagonisten und es fiel mir sehr schwer, mich ständig in einem Raum voller Schwermut zu bewegen. Es gab wenige freudige, lebendige Momente, die mich als Leserin mal ein wenig aufmuntern konnten. Die Entscheidung von David, sein Lebensgefängnis zu Gunsten eines Abenteuers namens Leben zu verlassen, gab es schon in zahlreichen Romanen, sodass diese Entscheidung mich zumindest nicht überraschte, sondern von Beginn an klar war.
Trotz der vielen Beschreibungen der Gedanken und Gefühlswelt konnte ich mich nicht wirklich mit dem Charakter verbinden und es wirkte auch ein wenig surreal, dass es so vieler Jahre der Einsamkeit und Rückzuges innerhalb eines Familienclans bedurfte, um dann endlich aus der Enge des eigenen Daseins auszubrechen. Wie eine Blumenknospe, die sich das ganze Jahr verweigert aufzublühen, um dann im späten Herbst und frühen Winter sich in ihrer ganzen Pracht zu zeigen.
Auch der zweite David konnte mich nicht überzeugen, auch wenn hier die Sicherheit in einer Beziehung als höherwertiger gesehen wurde, als das tatsächliche Leben. Während im ersten Abschnitt noch die Familie und deren Doktrinen im Vordergrund stand, war es hier die Sicherheit und die Akzeptanz. Für dieses Lebensexperiment hat der Protagonist auf die wahre Liebe und das eigene Leben verzichtet. Es erinnert sehr stark an die Rolle der Frauen zu dieser Zeit.
Auch hier wurde die Gedankenwelt wieder sehr ausführlich beschrieben und damit einhergehend auch eine Art von depressiver Grundstimmung, obwohl sich der Protagonist diese Situation selbst ausgewählt hat.
Geschickt hat die Autorin immer wieder Fakten eingestreut, die zumindest teilweise dazu geführt haben weiter zu lesen, um die Antworten auf Fragen zu erhalten.
War es anfangs die geheimnisvolle Krankheit, so wurde es später die Herkunft bzw. das Schicksal des Vaters. Für mich war es anfangs noch interessant, doch spätestens bei der zweiten Geschichte hatte sich dieser stilistische Ansatz verbraucht.
Die dritte Geschichte und damit die längste spielte in einer dystopischen Welt, die ich zumindest vom Ansatz her als deutlich interessanter vermutete, als sie letztlich war.
Die immer wiederkehrende Nutzung der gleichen Namen verursachte bei mir zudem einige Verwirrungen, egal ob die von den jeweiligen Protagonisten oder von den Nebencharakteren. Es dauerte gefühlt mehrere Seiten, um die vorherigen Zuordnungen aufzulösen und neue Wege in meinem Kopf zu bahnen.
Immer wieder habe ich mir den Klappentext durchgelesen, um einen Fixpunkt in der jeweiligen Geschichte zu finden. Ich weiß nicht, ob ich ohne diesen Fixpunkt die Struktur der Welten und der Epochen aus dem Geschehen tatsächlich herausgelesen hätte. Ich glaube nicht, denn es fehlte mir die Deutlichkeit im Geschehen. Nur in der letzten Geschichte wurde zu Beginn das Jahr genannt, in der sie spielte.
Wie schon im Klappentext ausgeführt handelt es sich um eine menschliche Symphonie mit dem Ziel sein eigenes Paradies zu finden. Und für jeden Mensch bedeutet das Paradies etwas anderes.
Ich weiß nicht, ob es hierbei eine Rolle spielt, welche Hautfarbe, welches Geschlecht oder welche Besitztümer, welche Macht jemand hat. Für mich persönlich ist es eher nebensächlich, ich nahm hier jedoch eine tiefergehende Nuance wahr. Zumindest verstärkt es die Gefühle und die Gedankenwelt rund um die innere Freiheit.

Fazit
Im ersten Anlauf konnte mich dieser Roman nicht zu 100 % überzeugen. Ich habe mir über weite Strecken einen Weg durch diese Traurigkeit und Verlorenheit gebahnt und ein wahrer Lesegenuss wollte sich nicht einstellen. Inzwischen glaube ich, es ist so von der Autorin gewollt - die Geschichten lösen beim Lesen Gefühle aus, die in ihrer ganzen Bandbreite da sein dürfen. Von absolut toll bis hin zur Ablehnung.
Ich werde mir diese Geschichte zu einem anderen Zeitpunkt sicher noch einmal als Hörbuch anhören. Ich glaube es braucht einfach Zeit, damit sich diese Geschichte entfalten kann und sie passt nicht zu Jedermann / Jederfrau in diese Zeit.
Gleichwohl bin ich dankbar für dieses Geschenk, die Gelegenheit es lesen zu dürfen.