Klischeehaft aber Unterhaltsam

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Rezension: Zurück auf Gestern

Prämisse:

Claire und Lulu sind seit sie sich kennengelernt haben sehr eng befreundet und bezeichnen sich selbst als „Herzenszwillinge“ . Die beiden freuen sich sehr auf die Schulparty, welche zudem an ihrer beiden Geburtstag stattfindet. Auf der Party blamieren sich jedoch beide vor den Jungs in welche sie beide verliebt sind. Allerdings bekam Claire zu ihrem Geburtstag ein Erbstück – ein Anhänger – ihrer verstorbenen Großmutter geschenkt, mit welchem sich die Zeit zurückdrehen lässt.
Die beiden nutzen den Zeitumkehrer daraufhin für alles mögliche und realisieren fast zu spät, dass eine Person den Zeitumkehrer um jeden Preis in ihren Besitz bringen möchte und bereit ist dafür alles zu tun.

Bewertung:

Zuerst einmal werde ich den Schreibstil verdienterweise loben. Claires Ich–Perspektive liest sich flüssig, schnell und angenehm. Gleichzeitig finden sich in dem Buch auch einige nette Wortspiele oder Neuinterpretationen bekannter Formulierungen. An einer Stelle verwandeln sich beispielsweise die Schmetterlinge im Bauch in Motten. Dies spielt auch in die meiner Ansicht nach gut beschriebene Freundschaft zwischen Claire und Lulu ein. Immer wenn es um ihre Freundschaft ging habe ich mich involviert gefühlt und mitgefiebert. Leider war Lulu für mich als Figur etwas zu blass geschrieben und hat – insbesondere im zweiten Akt, einige Entscheidungen getroffen, die für mich nicht nachvollziehbar waren, etwas wovon sich auch Claire nicht freisprechen kann und ich bin nicht soviel älter als die Protagonisten, jedoch gefiel mir ihre Entwicklung zum Schluss. Was die Nebencharaktere anbelangt so bin hin und hergerissen. Einerseits ist es Katrin Lankers gelungen jede Nebenfigur individuell zu gestalten und sogar eine individuelle Ausdrucksweise zu verleihen, etwas was in Jugendbüchern viel zu selten ist, dadurch hatte ich keine Probleme die Charaktere auseinenderzuhalten und ich habe auch nach langer Abstinenz sofort gewusst vom wem die Rede war wenn nur der Name fiel. Andererseits sind bedauerlicherweise zwar nicht alle, aber viele (vor allem die wichtigsten) Nebenfiguren sehr eindimensional und bestehen teilweise nur aus Klischees. Das exemplarischste Beispiel ist die „böse“ Stiefschwester Sophie. Sie ist für den Großteil des Buches: eine „Streberin“, hochnäsig, stets dabei fiese Sticheleien von sich zu geben, der Liebling der „bösen“ Lehrerin und der „bösen“ Stiefmutter, des weiteren verfügt sie über ein aus zwei Mädchen – von Claire als Doppel Ds bezeichneten – bestehendes Gefolge, deren Mitglieder weder über eigene Ziele, Motive, Persönlichkeit und nur über den Bruchteil der Intelligenz ihrer Führerin verfügen. Nein, das ist keine Rezension zu Aschenputtel und nein, ich habe gerade auch nicht aus dem „Klischee und Archetypen Lexikon für Coming of Age Geschichten“ zitiert. Das alles findet sich exakt so wie ich es beschrieben habe in diesem Buch, Mir ist bewusst, dass das Genre eine etwas simplifizierte Zeichnung von Nebenfiguren rechtfertigt aber auch dafür gibt es Grenzen. Grenzen welche hier eindeutig überschritten wurden. Da hilft es auch nicht, dass in den ersten einhundert Seiten ganze dreimal darauf hingewiesen wird wie rückständig und unreif Jungs in diesen Alter doch wären. Zitat Seite 38 „Deswegen war Samuel ein Jahr älter als wir und schien der Phase, in der sich alle Jungs verhielten wie minderbemittelte Kleinkinder, schon entwachsen zu sein“. Noch stärker ist mir diese Geisteshaltung dadurch aufgestoßen, dass Claire und Lulu sich auch nicht besonders reif verhalten. Ihr Leben dreht sich vor allem um Klamotten, Aussehen im allgemeinen, Jungs in die sie verliebt sind und ihre Freundschaft. Das alles zeugt für mich nicht unbedingt von einem Reifegrad der dieses abfällige Urteil über Jungs und über ihre Geschwister rechtfertigt. Außerdem verliert durch diese Eindimensionalität ein spät im Buch erfolgender Twist viel von seinem Überraschungseffekt. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass es gar kein richtiger Twist – weil viel zu vorhersehbar ist. Prinzipiell ist er das Äquivalent zu einem in einem Glaskasten verpackten Geschenk. Aber auch abgesehen davon ist das Buch insgesamt viel zu vorhersehbar. Sowohl die Dynamik einiger sozialer Interaktionen – zumeist Dramen – als auch einzelne Plotpunkte kann ein erfahrener Leser derartig präzise vorhersagen, dass würde er im den Buch leben, als Wahrsager innerhalb kürzester Zeit kriminell reich werden könnte. Um zum einem endlich auf den Zeitumkehrer sprechen zu kommen und zum anderen auch einmal wieder etwas zu loben. Ich habe den Hintergrund des Objekts als sehr spannend und herausragend erzählt empfunden. Dieser wird hauptsächlich in Form von Tagebucheinträgen eines im neunzehnten Jahrhundert lebenden, weiblichen Vorfahren berichtet. Diese Tagebucheinträge – welche in authentisch altertümlicher Schrift verfasst sind - erzählen eine romanreife Geschichte die zudem der gegenwärtigen ähnelt. Auf diese Weise hat Katrin Lankers es geschafft Exposition und Foreshadowing zu vereinen. Eine Leistung vor welcher ich meinen Hut ziehe, wenn auch nur einen imaginären, da ich keine Hüte trage. Auch lobenswert ist, dass bei alledem der Ursprung des Anhängers im Dunklen bleibt und er somit nicht entmystifiziert wird. Aber es ist auch interessant zu sehen, wie Claire und Lulu den Zeitumkehrer gegenwärtig verwenden, zudem habe ich ihre Anwendungen des Anhängers als authentisch empfunden. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sollte ein solcher Anhänger zwei echten fünfzehnjährigen Mädchen in die Hände fallen, sie in auf eine ähnliche Weise benutzen würden.
Das Ende des Buches legt dann noch einmal etwas an Qualität zu. Zwar gibt es auch hier Punkte welche mein Missfallen erregt haben, beispielsweise das die letzten Seiten überhastet und nicht mit der nötigen Ausführlichkeit geschrieben sind. Dies gilt übrigens ebenso für den Anfang des Buches. Das habe ich als schade empfunden, da hier einiges an Potentials bezüglich der Bindung des Lesers zu den Figuren verschwendet wurde. Des weiteren offenbart sich an dieser Stelle von „Zurück auf Gestern“ einiges Potential in Bezug auf Themen wie Konfliktlösung und Zeitreisenmoral, welche beide im Laufe des Buches meiner Ansicht nach leider nicht mit der möglichen und daher gebotenen Ausführlichkeit behandelt wurden. Was mir hingegen sehr gefiel war, dass einige Elemente welche im Laufe der Handlung nur nebensächlich behandelt wurden im Finale eine relevante Rolle einnahmen. Zudem war es äußerst spannend geschrieben und stellt insgesamt eine schlüssige wie auch befriedigende Konklusion der Geschichte da.

Fazit:

„Zurück auf Gestern“ zu bewerten war für mich nicht besonders einfach. Nicht etwa weil das Buch kaum Aspekte besitzt die sich (klar) bewerten lassen, sondern weil es viel zu viele sind. Auf der einen Seite haben mich die, nur aus Klischees bestehenden Nebenfiguren, nebst der teilweise etwas unreif und zerstreut ( auch für ihr Alter ) wirkenden Hauptfiguren sowie die Tatsache, dass selbst ein Wahrsager den Plot nicht genauer vorhersagen könnte als ein erfahrener Leser, an nicht wenigen Stellen frustriert. Auf der anderen Seite hatte ich bedingt dadurch, dass ich die wandelnden Klischees, die laut dem Buch Nebencharaktere darstellen sollen, wenigstens gut auseinanderhalten konnte, der stellenweise fantastische Umgang mit Worten, das gute Ende, der Fakt, dass mich das Buch auch schon vorher, entgegen aller Wahrscheinlichkeit, zum mitfiebern brachte sowie der stellenweise durchaus vorhandenen Tiefgründigkeit dann doch eine nicht geringe Menge von Spaß mit dem Buch. Ich möchte jedoch noch darauf hinweisen, dass „Zurück auf Gestern“ kein Buch für jedermann ist. Erfahrene oder Anspruchsvolle Leser werden an dem Buch wohl nur eine – wenn überhaupt – sehr geringe Freude haben. Für jugendliche Leser oder solche, die es werden wollen (vor allem für Mädchen) ist „Zurück auf Gestern“ hingegen eine vergnügliche, lehrreiche und sicherlich auch spannende Lektüre. All das vorher geschriebene entspricht einer Bewertung von
4/5 Sternen mit Tendenz zu 4,5 Sternen.