Der Flaschenhals

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wilde hummel 1 Avatar

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Der getrimmte Buchsbaum auf dem Buchcover symbolisiert in gewisser Weise die Problematik eines Aufstiegs - aus einer breiten Masse kommend, nach oben strebend, verengt sich die Karriere zu einem engen Durchlass mit alten Selektionsriten. Natasha Brown hat in kurzen Sequenzen die britische Gesellschaft seziert. Und es ist eben doch von Bedeutung, dass die Protagonistin eine Frau ist, dass sie eine dunklere Hautfarbe hat, dass sie aus unterprivilegierter Gesellschaftsschicht kommt und dass sie "nach oben" strebt. Sie ist intelligent, erkämpft sich einen Platz in der männlich dominierten Finanzwelt und zahlt dafür einen Preis. Ihr Freund gehört der upper class an, dem alten britischen Geldadel, in dem die Kinder hineinwachsen in ihre Selbstsicherheit und in dem Glauben, dass das alles gratis ist. Wieviel von dem britischen Reichtum basiert auf dem Sklavenhandel, auf der Ausbeutung früherer Kolonien? Wie und in welcher Zeitachse bilden wir unsere Identität, unseren Blick auf die Welt, unsere Wahrnehmung. Natasha Brown sticht mit kurzen Nadelstichen tief hinein in die großen Themen, wie Rassismus, Kolonialgeschichte, Gendergerechtigkeit, den Zwang zur unbedingten Anpassung im Karrierekarusell. Ich habe das Buch mehrfach gelesen, um die Aussagen und Intentionen besser zu verstehen und in Zusammenhang zu bringen. Ein Buch, das sich aus kurzen Textpassagen immer mehr verdichtet und zum Nachdenken zwingt. Persönlich hätte es für mich breiter angelegt sein dürfen, mit mehr Erzählfluss und Geschichten. Es ist ein dünnes Büchlein mit dickem Inhalt, nicht einfach, aber lesenswert.