Ein (viel zu kurzes) Debüt, dass hoffentlich kein One-Hit-Wonder wird

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Natasha Brown nimmt uns mit durch ein paar Tage und doch die gesamte Lebensrealität unser Protagonistin. Nicht nur erfahren wir nie ihren Namen, auch spricht sie selbst fast nie direkt mit den anderen Figuren, sie spricht nur mit dem / der Lesenden in ihren Gedanken, reißt das Umfeld im Finanzviertel Londons aber genauso passend an wie die angespannte Idylle im Landhaus der Eltern ihres Freundes. Denn mehr als ein scheues Anreißen von Szenen geschieht nicht – wie in einem Drehbuch oder einem Notizbuch fällt das Licht auf manchmal wahllos angeordnete Situationen und schafft so nach und nach ein vollständiges Bild. Einige Stellen sind dabei so sprunghaft, dass sie untergehen, andere so packend beschrieben, dass man sie sofort vor Augen hat. Einige Figuren so flüchtig erwähnt, dass man ihre Namen vergisst, andere so spitzfindig beobachtet, dass man sie sofort im eigenen Umfeld wiedererkennt. Durch die zugehörigen Freiräume und Lücken im Schriftsatz unterstützen diese Erzählweise und geben ihr eine zweite Ebene, unterstreichen das Prinzip der Versatzstücke, die auch in anderer Reihenfolge erzählt werden könnten und doch vom gleichen Leben berichten. Leider begleiten wir nur 113 Seiten dieses Lebens. Ich hätte gerne gesehen, wie es weitergeht, was die Autorin noch aus den Situationen und der Geschichte hätte herausholen könnte. Insbesondere die politischen Untertöne hätten sich auf 300 Seiten noch mehr verdichtet, denn es wird klar, es geht nicht nur um die Zusammenkunft von Menschen im Landhaus, sondern auch eine Zusammenkunft verschiedener Lebensumstände, Überbleibsel einer (verdrängten) Vergangenheit und Vorurteile.

Ein Debüt, dass gerne noch mehr Platz im Regal einnehmen dürfte. Schon jetzt bin ich gespannt, wie das nächste Buch von Natasha Brown sein wird und ob sie ihren Schreibstil beibehält.