Wie ein Schlag in die Magengrube

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natascha Avatar

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Die Ich-Erzählerin in Natasha Browns „Zusammenkunft“ ist zwar Protagonistin des Romans, aber, wie es scheint, nicht mehr die ihres eigenen Lebens. Ihre Familie stammt aus Jamaica, sie ist in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Aber sie hat es geschafft: Der perfekte Abschluss an einer renommierten Uni, die Beförderung, ein reicher Freund. Sie ist Bankerin und sitzt in einem Büro mit Glasfront und drei Monitoren, besitzt eine teure Eigentumswohnung in London. Stets ist sie bemüht, sich anzupassen, die „richtige Art“ von Diversität zu verkörpern, wie ihr Chef es nennt.
„Der Druck ist immer da. Pass dich an, pass dich an … Lös dich auf im Schmelztiegel. Und dann fließ raus, gieß dich in die Form. Verbieg deine Knochen, bis sie splittern und knacken und die hineinpasst. Press dich in ihre Schablone. Pass dich an.“
Diese Anpassung geht bis zur Entmenschlichung. Die dissoziiert, hat kaum noch Zugang zu ihren eigenen Gefühlen. Als sie eine schreckliche Diagnose bekommt, sieht sie diese sogar als Ausweg aus einem Leben, mit dem sie sich nicht mehr identifizieren kann.
Ihrem weißen Freund und dessen Familie gegenüber spielt sie weiter die Rolle, die von ihr erwartet wird, hört sich von männlichen Kollegen an, dass sie ihre jetzige Position auf Grund ihres Schwarz seins und nicht wegen ihrer Qualifikationen bekommen hätte.
Trotz seiner Kürze hat der Roman eine unwahrscheinliche Kraft. Ein wenig hat er sich für mich angefühlt, wie ein Schlag in die Magengrube. Die pointierte, ausdrucksstarke Sprache braucht oft nur einen Satz, um ein Gefühl, eine Szene perfekt einzufangen. Sehr klar arbeitet Brown heraus, wie eine junge Schwarze Frau, in einem Umfeld, das sich mit der eigenen Toleranz brüstet, zugrunde geht. Und das, obwohl sie ihren Kollegen, ihrem Freund und dessen Familie überlegen ist. Die Anpassung, die von ihr gefordert wird, führt letzten Endes zur Selbstauslöschung. Eine große Empfehlung von mir.