Unbedingt lesen!

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missmarie Avatar

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Brauchen wir noch ein Buch über Diskriminierung, Frauenhass und Alltagsrassismus? Ja, unbedingt, wenn es sich dabei um ein solches Meisterwerk wie „Zusammenkunft“ der britischen Autorin Natasha Brown handelt. Der Roman handelt von einer jungen Frau, die es bis nach ganz oben in der britischen Finanzwelt geschafft hat. Ein paar Tage lang begleiten wir sie zu Werbeveranstaltungen, in die Chefetage und zum Besuch bei der Familie ihres Partners - alter, englischer Geldadel. Doch was ist dabei nun anders als in all den anderen Romanen zum selben Thema, die gerade den Buchmarkt fluten?

Zuerst ist da Natasha Browns Art, Rassismus und Misogynie zu thematisieren. Gerade in der ersten Hälfte des Buches scheint auf den ersten Blick alles „normal“ zu sein. Was ist daran verkehrt, wenn die Protagonistin den männlichen Kollegen Kaffe kocht, wenn die Empfangsdame weg ist? Ist es nicht enorm wichtig, bei einem Vortrag gut akzentuiert zu sprechen? Und wenn der Bauarbeiter von denen und uns spricht, dann ist das doch eher auf seine mangelnde Bildung als auf rassistische Absichten zurückzuführen - oder? Der*die Leser*in muss also ständig auf der Hut sein, Zusammenhänge zwischen selbst erkennen und sich so das eigentliche Thema erschließen. Die späteren streams of conscious bieten reichlich Verknüpfungsangebote. Grandios erzählt - nicht zuletzt auf Grund der treffenden Metaphern, die Kompliziertes und Unbeschreibbares greifbar machen. Besonders hervorzuheben sind hier auch die „Abbildungen“-Texte im hinteren Teil, auf die ich an dieser Stelle inhaltlich nicht genauer eingehen möchte, die aber enorm viel Unbehagen beim Lesen wecken.

Zum anderen stellt die Autorin durch ihre Protagonistin die richtigen Fragen: Über welchen Teil des Lebens bestimmen wir wirklich selbst, wenn sogar die Körper im Zuge der Ausbeutung angeeignet wurden? Ist es dann nur noch die Form des Todes, die uns eine Wahl lässt? Was bestimmt über unsere Identität - Geld, Herkunft, Kollektive Erinnerungen, Kulturelles Kapital, der Familienname? Dabei gelingt Brown das Kunststück, keine Platten Antworten zu liefern, sondern dem*der Leser*in die Antwort zu überlassen. So kommt es, dass sich das Buch stellenweise eher wie ein Essay als wie ein Roman liest.

Mein Fazit: Ich kann den Hype um das Buch in Großbritannien absolut nachvollziehen. Für mich eines der besten Bücher zum Thema - sowohl inhaltlich als auch sprachlich. Absolute Leseempfehlung!