Unbequemes, scharfsinniges Debüt einer wichtigen neuen Stimme

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alina_liest07 Avatar

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Die namenlose, schwarze Protagonistin in Natasha Brown’s „Zusammenkunft“ steht kurz davor, alles zu erreichen, wofür sie immer gearbeitet hat. Studium in Oxbridge, Eigentumswohnung in London, eine weitere Beförderung in ihrem prestigeträchtigen Bankjob - und nun die Einladung zu einer Gartenparty auf dem Familienanwesen ihres vermögenden, weißen Freundes vor - ein weiterer Weg in das weiße Establishment des alten Geldes.
Doch dann wird bei der Protagonistin eine Krankheit diagnostiziert, und ihr "Erfolg" fühlt sich plötzlich hohl an, sie ist desillusioniert von einer Karriere und einem Land, in dem sie täglich Rassismus und Sexismus ausgesetzt ist.

Auf gerade einmal etwas mehr als 100 Seiten schildert Natasha Brown in einem berührendem Buch mit scharfen Blick das Leben und den sozialen sowie wirtschaftlichen Aufstieg einer schwarzen britischen Frau in einem Land, das seine koloniale Vergangenheit immer noch leugnet. Brown beleuchtet in flüchtigen, aber treffenden Fragmenten wie Rassismus das Leben der Erzählerin auf allen Ebenen beeinflusst und wie erschöpfend sich dies anfühlt: Ob sie auf der Straße offen beschimpft wird oder ihre Kollegen ihr suggerieren, ihre Beförderung habe sie der "Diversität" zu verdanken - keine Begegnung, keine Beziehung und kein Erfolg ist frei von Annahmen, die auf ihrer Hautfarbe beruhen.

Der Erzählstil der Autorin ist ungewöhnlich, fast schon experimentell - der Text springt zwischen Orten und Gedanken, ist fragmentartig und teils bitterböse und sarkastisch.
Eine prägnante, erschütternde Erzählung über Rassismus, Kolonialismus, Kapitalismus, Sexismus und den damit verbundene alltäglichen Mikroaggressionen.
Wer ein Fan von Büchern mit klaren, linearen Handlungssträngen und Auflösungen ist, wird hier eher nicht fündig. Dieses Buch ist umbequem und herausfordernd, es lädt ein zum Nachdenken und Reflektieren über Selbstbestimmung - hier wird kein „einfaches“ Ende geboten. „Zusammenkunft“ ist ein kurzes, aber starkes und beeindruckendes Debüt einer spannenden neuen Autorin, auf die ich auch in Zukunft sehr neugierig bin - absolute Leseempfehlung von mir!