Unglaubliches Debüt, wow!

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fraedherike Avatar

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"Sie ist da. Angst. Jeden Tag ist eine Möglichkeit, es zu versauen, jede Entscheidung, jedes Meeting. Es gibt keinen Erfolg, nur das vorläufige Abwenden des Versagens. Angst. Vom Vibrieren und Klingeln meines Weckers, bis ich mich wieder schlafen lege. Angst." (S. 37)

Aufsteigen, nach oben kommen, Teil der sozialen Oberschicht sein – das war schon immer ihr Ziel. Das Ziel der jungen Frau, der Kampf all der Menschen vor ihr. Doch was ihr fehlt, sind Geld und Kontakte, für sie gibt es keinen ‚easy way up‘, denn sie ist Schwarz. Und als Schwarze Frau muss sie für alles und gegen alles kämpfen: für Anerkennung, für Respekt; gegen die abschätzigen Blicke, gegen die Vorurteile, gegen die Gesellschaft. Doch all ihre Anstrengungen, die Jahre der Ungewissheit haben sich ausgezahlt: Sie ist Teil des Londoner Finanzwesens, wird befördert und von ihrem reichen, weißen Freund bei einer Gartenparty offiziell in die Familie eingeführt. Es scheint alles perfekt – wenn da nicht diese Sache wäre, die alles andere plötzlich unwichtig erscheinen lässt, denn lohnt es sich noch zu kämpfen?

Wir leben in einer Welt, in der gesellschaftlicher Status, Reich- und Besitztümer, Hautfarbe und Herkunft über unser Leben und unser Handeln entscheiden, über Sieg und Niederlage. In ihrem Debütroman „Zusammenkunft“ (OT: Assembly, aus dem Englischen von Jackie Thomae) erzählt Natasha Brown von Misogynie und Rassismus, von Herkunft und unendlichem Schmerz, der aus all diesen Dingen resultiert. Mit schneidender Klarheit und einzigartigem Stil seziert sie, welche Auswirkungen der seit Jahrhunderten in der Gesellschaft verankerte Rassismus auf das Leben der jungen Frau hat: All ihre Erfolge, all ihre Niederlagen scheinen mit ihrer Hautfarbe verbunden, sei es die Beförderung, um eine Diversitätsquote zu erfüllen, weil „Frau und Schwarz“, oder die Beziehung zu ihrem Freund, der in seiner weißen, altreichen und privilegierten Welt den Status des wertfreien Kosmopoliten innehat. Sie ist sich dessen bewusst und stellt sich ihr Leben immer wieder in Frage: Wozu all die Anstrengung, wenn es, wenn sie eh nie genug sein wird? Da scheint es Schicksal zu sein, dass sie sich gegen alle weiteren Kämpfe stellt, die die Diagnose ihrer Ärztin bedeuten würden – und für ihre allmähliche, schmerzhafte Transzendenz.

„Zusammenkunft“ ist ein Kunstwerk, ein literarisches Stakkato, das mit kurzen, kräftigen Schlägen all die Ungerechtigkeiten herausschreit. Sie sind der Soundtrack für die Metaphern, die ihr sprachliches Genie sichtbar machen, und die Bilder, die sie beschreibt. Natasha Brown beweist, dass es nicht vieler Worte bedarf, um viel zu sagen – auf die Art und Weise kommt es an, und das zeigt sie mit ihrem Debüt eindrucksvoll. Was für ein Buch!