Lebensvoll, authentisch, facettenreich!

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Dieser Titel macht sofort neugierig, oder? Und tatsächlich steckt hinter diesem humorvollen Namen ein facettenreicher, lebensvoller Roman von Anika Decker, der einen ziemlich mitnimmt.

Im Mittelpunkt steht Nina, bald 50, geschieden, Mutter von zwei Kindern und mitten im Leben – oder auch irgendwie nicht. Denn Nina verliebt sich ausgerechnet in David, 30 Jahre alt und Inhaber eines Sandwichladens. Der Altersunterschied sorgt bei ihr für große Unsicherheiten und lässt sie immer wieder an sich und ihrer Situation zweifeln. Aber es ist nicht nur die Liebesgeschichte, die Decker erzählt. Neben Ninas Privatleben geht es um die großen Themen wie Liebe, Familie, Älterwerden und das Aufeinandertreffen von persönlichen und beruflichen Herausforderungen.

Da sind auch die #MeToo-Thematik und die sexuellen Übergriffe am Filmset, die Nina und ihre Freundin Zeynep beschäftigen. Ein wichtiges Thema, das Decker mit viel Feingefühl und trotzdem auch Witz anspricht und das man zwischen den bunten Buchdeckeln vielleicht nicht erwartet hätte. Dadurch, dass die Autorin aus verschiedenen Handlungsperspektiven schreibt, ergibt sich hier nochmal ein ganz anderes Bild. Doch auch das schwierige Verhältnis zwischen Nina und ihrer Schwester Lena sowie zu ihrer Mutter Karin spielt eine Rolle. Die vielen Perspektiven und Handlungsstränge geben der Geschichte Tiefe und machen sie unglaublich lebendig. Die Charaktere wirken authentisch, sympathisch, aber ein wenig überzeichnet - ich finde, hier merkt man, dass Anika Decker auch oft für die Leinwand schreibt. Die Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit, die niemals überladen wirkt, haben mich dennoch innerhalb von kürzester Zeit durch die 464 Seiten fliegen und nicht mehr losgelassen.

"Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben" ist ein vielschichtiger Roman über das Leben, die Liebe und die Herausforderungen, die man als Frau in einem bestimmten Alter zu meistern hat. Ich mag es sehr, über Protagonistinnen in diesem Alter zu lesen, die sonst nicht so viel Sichtbarkeit abbekommen. In dem Zusammenhang empfehle ich auch gerne nochmal Carolin Rosales' "Das Leben keiner Frau."