Das Wien der Zwanziger und Dreißiger

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adelheid von buch Avatar

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"Zwischen Brüdern" ist ein ganz wunderbarer Roman über das Wien der Zwanziger und Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Protagonisten sind zwei Brüder, die sehr unterschiedlich sind. Der ältere namens Viktor war als Soldat im I. Weltkrieg und hat viel Schlimmes erlebt. Er ist ein ruhiger, bodenständiger Zeitgenosse, der sich ein einfaches Leben als Lehrer und Familienvater mit einem kleinen Häuschen wünscht. Der jüngere Bruder namens Hans ist vom Krieg verschont geblieben. Er ist der buchstäbliche Hans Dampf in allen Gassen. Er interessiert sich sehr für die sich neu entwickelnden Kunststile. Um als Student in der Kunstgewerbeschule überleben zu können, lässt er sich auf alle möglichen windigen Geschäfte ein. So hat er manchmal Geld im Überfluss und manchmal horrende Schulden. Sehr spannend finde ich, wie die beiden Männer diese Zeit sehr unterschiedlich erleben. Die Geschichte wird teilweise einem Tagebuch gleichend aus der Sicht von Viktor erzählt. Beide Brüder profitieren voneinander, indem sie sich gegenseitig ihre Welten zugänglich machen. Viktor ist sozusagen der Anker in diesem Buch und auch im Leben von Hans, der doch immer wieder das geordnete Leben von Viktor als Resetpoint braucht, um nicht ins hoffnungslose Chaos abzugleiten. Hans versucht mit allen Mitteln und immer wieder seine Träume von einem neuen Design in der Wohnkultur populär zu machen. Er scheitert immer wieder und fängt immer wieder neu an. Dadurch wird er immer extremer und für seine Umwelt schwerer erträglich.
Der Fokus der Geschichte bleibt konsequent auf die Beziehung der beiden Brüder konzentriert. Dennoch werden auch die anderen wichtigen Figuren und deren Lebensumstände sehr plastisch gezeichnet.
Es war eine große Freude für mich, dieses Buch zu lesen. Ich wünsche diesem Roman sehr viele Leser.