Hoffnung zwischen Rassismus und Gewalt

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toniludwig Avatar

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Der Verlag Hoffmann und Campe verlegt das zweite Werk der vielfach gelobten 1992 geborenen britisch-brasilianischen Autorin Yara Rodrigues Fowler mit dem Titel >>Zwischen Himmel und Erde<< in der Übersetzung von Maria Meinel.

Der gesamte Roman bedient zu keiner Zeit die üblichen Lesegewohnheiten : schon der hymnische Beginn mit der Aufforderung zum lauten Mitsprechen bestimmter Passagen (was im Gesamtkontext durchaus seine Berechtigung hat) ist ungewohnt und eine durchgehende Irritation durchzieht ohnehin das gesamte Werk. Um sich auf den Roman mit seiner besonderen Sprache einzulassen, empfiehlt es sich, den Song >>Comigo<< von Elza Solares zu hören, der die Grundstimmung des Textes recht gut einfängt, der Liedverweis ist unter anderem dem Prolog vorangestellt.

Auf mehreren Zeitebenen werden die Geschichten der nach Liebe und Zuneigung lechzenden Melissa in London und der aus Brasilien stammenden Caterina aufgeblättert, die gemeinsam in einer WG in London leben.

Mit dieser Hauptfigur öffnet sich auch der Blick auf die Militärdiktatur in Brasilien, die zwar vor 37 Jahren endete, jedoch die Politik des Landes und ihre Menschen bis heute nachhaltig beeinflusst.
Es ist auch der tragische Kampf von Laura und Clitemnestra im Widerstand und durch diesen familiären Hintergrund wurde die zur Promotion in London studierende Caterina dermassen geprägt, dass sie bei einem der Bekannten ihrer Mitbewohnerin Melissa bereits dessen frühere Arbeit bei Toni Blair als unverzeihlich rechtsgerichtet ansieht.

Die familiäre Geschichte von Caterina und ihrer Mutter, der Universitätsprofessorin Sonia, die eine völlig überzogene Angst um ihr Kind entwickelt und Schwester der revolutionären Laura ist, die Geschichte ihres Vaters Miguel und schliesslich die sich entwickelnde Beziehung von Caterina zu ihrem Partner Pedro wird in mehreren Kapiteln verschlungen und frei von jedweder Sentimentalität erzählt.
Dies ist wohl das grösste Problem des Textes : seine Erzählstruktur wirkt wie eine anhaltende wörtliche Rede, die ein unsichtbarer Begleiter wie einen Kommentar auf Band erzählt, in Wiederholungen oft und in jedem Falle emotionslos.

Herbei muss der Leser auch eine vierseitige Liste aller in Brasilien lebenden indigenen Gruppen >>aushalten<<, von Aikana bis Zoro (die Autorin erklärt ihre Intentionen in den Anmerkungen, die sich überraschenderweise ohne jeglichen vorangehenden Hinweis am Ende des Romans befinden), füllen Wortgruppenwiederholungen ganze Seiten, nicht nur das >> plekplek<< des Mimeografen.

Wer dies mag und bereit ist, der Handlung zu folgen, wird durch den ungewöhnlichen Roman bereichert und erlebt Geschichte vor einem politisch brisanten und aufgeheiztem Hintergrund, die sich aus den sehr unterschiedlichen Erfahrungen der beiden Protagonistinnen im britischen Brexit-Fieber speist.