Tennis als Spiegel des lebens

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Worum geht es?
Andrea Petkovic, Jahrgang 1987, war Top-10-Spielerin im Tennis. Sie schreibt in ihrem Buch über ihre Anfänge, ihre Profizeit und viele private Episoden.

Meine Meinung
Wäre das Buch mit Tennis eingestiegen, hätte ich es wohl weggelegt. Doch der Einstieg ist eine wunderbare Erklärung, dass die folgenden Texte Erzählungen sind: An der Realität orientiert, doch eben literarisch und nicht journalistisch.

Auch das erste Kapitel handelt nur am Rande vom Tennis und viel mehr von Andrea Petkovics Jugend zwischen der slawischen Identität ihrer Eltern und ihrem Wohnort in Deutschland.

Das Buch hat Höhen und Tiefen. Manche Kapitel fand ich eher langweilig, manche extrem spannend. Die Trennlinie läuft dabei keineswegs zwischen Tennis und dem "Rest des Lebens". Ich mag Tennis, bin aber keine Tennisspielerin und habe in den letzten Jahren auch nur wenig Tennis geschaut. Meine Prioritäten liegen einfach anderswo. Die Trennlinie läuft für mich zwischen Kapiteln, in denen es sich tatsächlich nur im private Erlebnisse handelt, die in keinen größeren Zusammenhang zu fassen sind, und denjenigen Kapiteln, in denen die persönliche Biographie ein Spiegel der gesellschaftlichen (oder tennis-gesellschaftlichen) Strukturen ist.

In diesen Kapiteln greift Petkovic zum Beispiel die Themen Nationale Identität, Einwanderung, Privilegiertheit, Feminismus, Frauenfeindlichkeit, Mentale Stärke und Lebensziele auf.

Besonders stark finde ich eine Szene, in der sie beschreibt, wie ihre "gutbürgerlichen" Freundinnen sich sehr aufmüpfig fühlen, weil sie schwarzfahren -- obwohl ihr Regelbruch keine Konsequenzen hat, weil ihre Eltern einfach die Strafe zahlen. Petkovics Schlussfolgerung: Eine Tat ist nur dann mutig, wenn das Scheitern eine wirkliche Konsequenz hat. Ich kam aus dem Nicken gar nicht mehr heraus.

Außerdem hat mir die Erklärung zur Entstehung des Damentennis sehr gefallen. Um überhaupt wahrgenommen zu werden, stimmten die Damen zu, sich auch "sexy" vermarkten zu lassen. Das führt nun zu sexistischen Kommentaren unter Youtube-Videos vom Damentennis. Doch Petkovic macht deutlich, dass dies lediglich ein Schritt auf dem Weg ist. Das Ziel ist, als Sportlerinnen für die sportliche Leistung respektiert zu werden. Ohne Kommentare zu Weiblichkeit, Stöhnen beim Aufschlag oder "zu muskulöse Oberarme".

Fazit:
Ich vermute, dass eingefleischte Tennisfans fast schon enttäuscht sein werden, dass viele Kapitel nicht oder nur am Rande mit Tennis zu tun haben. Petkovic-Fans wird das Buch dagegen begeistern.

Für alle, die weder Petkovic-Fans noch Tennis-Lieber*innen sind, habe ich folgenden Tipp: Lest das Buch, wie ihr einen Blog lesen würdet: Nicht unbedingt von vorne nach hinten komplett, sondern kapitelweise -- und dann nur diejenigen, die euch interessieren. Dabei solltet ihr allerdings nicht nach den Kapitelnamen gehen, sondern ein wenig überfliegen. So, wie man eben auch Blogs liest ;-)