Kriegsverbrechen und Dolce Vita

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frabo96 Avatar

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Wir schreiben das Jahr 1998. Julia reist nach dem Tod ihres Großvaters in sein Heimatland Italien, um in der Toskana mehr über seine Vergangenheit herauszufinden. Dort trifft sie nicht nur auf vermeintliche Verwandte und interessante italienische Männer, sondern auch dunkle Geschichten aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Durch Rückblicke in die 40er-Jahre erfahren wir, was sich damals genau um die Familie Conti zugetragen hat.

Eins vorneweg: Ich rechne es Autor*innen immer hoch an, wenn sie sich mit historischen Themen beschäftigen, die bei uns sonst eher weniger Beachtung bekommen und vielleicht auch mal harter Tobak sind. Das ist bei "Zypressensommer" auf jeden Fall gegeben. Ich fand es wirklich toll, etwas mehr über den Widerstand in Italien zu erfahren, auch über die Kriegsverbrechen der Deutschen in dieser Region hatte ich bisher leider auch nur sehr wenig gehört. Man merkt definitiv, dass die Autorin hier gut recherchiert hat und dass es ihr am Herzen liegt, ihren Lesern diese Themen zu vermitteln.

Da hört es aber für mich schon mit den positiven Punkten bei diesem Buch auf. Was mich vor allem hier gestört hat, war der schlechte Schreibstil. Wie bei leider vielen deutschen Historienromanen werden die gut recherchierten Fakten total unnatürlich in Dialoge oder Tagebucheinträge eingebaut. So hat man dann leider immer das Gefühl, dass man einen Wikipedia-Artikel liest und keinen Roman.

Auch die Struktur der Erzählung ließ für mich viel zu Wünschen übrig. Dadurch, dass es mehrere Perspektiven gibt, die aber ungleichmäßig eingesetzt werden, ist es immer recht holprig und ich hatte vor allem gegen Anfang Probleme, der Handlung zu folgen. Das hing auch damit zusammen, dass ich erst sehr spät einen Überblick über die Figuren hatte, hier wäre sicher ein Stammbaum hilfreich gewesen. Ein entscheidendes Ereignis wird drei Mal aus verschiedenen Perspektiven erzählt, ohne dass ich aus irgendwelche neuen Erkenntnisse oder Gefühle aus den neuen Sichtweisen ziehen kann.

Hinzu kommt eine Überdosis Kitsch in den 1998-Kapiteln, die für mich einfach nicht zur ernsten Thematik der Rückblicke gepasst haben.

Zwar fand ich es interessant und wichtig, etwas über den Zweiten Weltkrieg in Italien zu lernen, leider konnte mich "Zypressensommer" ansonsten überhaupt nicht überzeugen.