Ein trauriger Rollentausch ...

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Manche Kinder haben es nicht leicht im Leben und manche Frauen sollten vielleicht lieber keine Kinder in die Welt setzen. Aber wer bin ich, mich hier als Moralapostel aufspielen zu wollen? Das möchte ich mitnichten. Dennoch erfahre ich in dem Roman „22 Bahnen“ von Caroline Wahl, wie es sein kann, wenn man nicht in eine „Abendbrot Familie“ hineingeboren wird. Tilda und die kleine Ida können ein Lied davon singen. Ihre Mutter ist schwer Alkohol abhängig und verbringt ihre Tage mehr oder weniger im Wachkoma. An guten Tagen schleppt sie fremde Männer an und es steigen Partys in der kleinen Wohnung, an schlechten Tagen schläft sie nur. Man fragt sich, ob sie sich eigentlich überhaupt noch daran erinnert, dass sie Kinder hat?! So bleibt eben alles an Tilda hängen, der Großen, der Vernünftigen, die sich um Mutter, Haushalt, kleine Schwester, ihren Job an der Kasse und – ach Mensch! – einfach um alles kümmern muss. Tilda funktioniert oft selbst wie auf Autopilot und als Hörerin habe ich sie mehr als einmal bewundert, wie sie zielstrebig ihr Ding durchzieht. Doch auch eine junge Tilda stößt an ihre Grenzen, auch eine jungen Tilda ist nur ein Mensch, der ganz viel Liebe braucht. Kann sie diesen Kampf nicht nur ums Überleben, sondern auch ums Leben gewinnen?
Das Buch ist natürlich ein Roman, aber man weiß ja, dass solche beschriebenen Fälle keine Ausnahme sind. Beim Hören schwankte ich immer zwischen Mitleid und Bewunderung und war so stolz auf Tilda, die nach außen hin so stark scheint. Die Story berührt unheimlich und ich hätte sehr gerne die Bestnote vergeben, dazu war mir allerdings der Schreibstil ein wenig zu skurril. Ich habe mich für vier sehr verdiente Sterne entschieden und freue mich schon auf den Nachfolgeband „Windstärke 17“, in dem die Autorin den Fokus auf die kleine Schwester Ida gelegt hat.