606

Auf auf zum fröhlichen Jagen!?

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justm. Avatar

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Ein Gefängnisausbruch. Nicht nur ein Handvoll, sondern gleich 606, mehr oder weniger gefährliche Geflohene. Und eine Wärterin, die nicht den gefährlichsten unter ihnen sucht, sondern den für sie Schlimmsten.

Im Grunde hat Candice Fox' neuer „Thriller“ - andere würden Krimi sagen - „606“ alles, was es für ein paar Stunden spannenden Lesevergnügens bedarf. Theoretisch. Denn praktisch mochte selbiges bei mir nicht aufkommen.

Das mag zum Einen daran gelegen haben, daß wirklich niemand in diesem Buch auch nur einen Hauch sympathisch wirkt. Was insofern schwierig ist, wenn die Autorin doch eigentlich möchte, daß man als Leser*in zumindest mit einem der Geflohenen, John Kradle, der vermeintlich unschuldig hinter Gittern saß und nun versucht das zu beweisen, Mitleid hat.
Noch schwieriger wird es, wenn ein US-Marshal, die die Ergreifung der Gefangenen organisiert, unsympathischer (und das ist noch nett ausgedrückt) erscheint, als die Verbrecher, die sie jagt.

Dazu kommt, daß der Original-Titel „The Chase“, also „Die Verfolgungsjagd“ treffender gewesen wäre, als der den der deutsche Buchmarkt zu sehen bekommt.
Ja, es gibt 606 Flüchtlinge, aber auch wenn die Kapitel immer wieder die Geschichten Einzelner aufgreift, so sind es doch am Ende nur ein, zwei Hände voll Geflohener, die man zumindest im Ansatz näher „kennenlernt“. Wäre die Autorin noch mehr in einzelnen Handlungssträngen umhergesprungen, hätte es wohl eines Diagramms bedurft. Vielmehr geht es um die Verfolgung der Gefangenen. Aller Gefangenen.
Und da ist es Autorin und einzelnen Personen im Buch auch egal, wie das passiert. Das hat irgendwann zur Folge, daß die Geschichte nur noch wie ein gewolltes Gemetzel wirkt, aber nicht wie ein durchdachter Krimi, geschweige denn Thriller.

Dabei ist das Buch wirklich nicht schlecht geschrieben, wenn man sich erst mal damit zurecht gefunden hat, daß zwischen Zeiten und Personen munter umhergesprungen wird. Nur leider hilft das nicht, wenn die Geschichte, die erzählt werden soll, irgendwie – man könnte sagen auf der Jagd – verloren geht.

So bleibt mir nur zu sagen: Wer sich auf die Flucht mit Mördern, Serienkillern, Neonazis und vermeintlich Unschuldigen begeben möchte; wer eine Gefängniswärterin durch ihr Trauma begleiten möchte; und wer ein Buch lesen möchte, in dem wirklich niemand sympathisch ist: nur zu.

Allen Anderen empfehle ich dann aber doch eher die Finger vom Buch zu lassen!