606

Entscheide dich

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katercarlo Avatar

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In dem Buch geht es um Entscheidungen. Die Figuren mussten sich entscheiden und die Autorin sollte es auch – nur habe ich den Eindruck, konnte sie es nicht so recht.
606 Häftlinge brechen aus einem Hochsicherheitsgefängnis aus – dieser Einstieg in die Geschichte bietet jede Menge Potenzial. Vielleicht etwas zu viel. Denn danach könnte man sich fragen, wie unterschiedlich gehen die Kriminellen mit ihrer unverhofften Freiheit um. Oder man überlegt sich, wie speziell einer der Gefangenen diese überraschende Chance nutzt. Das Problem der Autorin ist, dass sie sich nicht entscheiden kann, welche diese beiden Fragen sie beantworten will.
Fox legt den Schwerpunkt auf John Kradle, der wegen Mord an seiner Familie in einer Todeszelle sitzt. Er nutzt den Massenausbruch, um nach Beweisen für seine Unschuld zu suchen, während eine Wärterin ihn aus persönlichen Gründen verbissen jagt. Es hätte genügt das Katz-und-Maus-Spiel, den ungeklärten Mordfall und die Geschichten dieser beiden Figuren zu erzählen. Hier hätte die Autorin tief in die Charaktere, Leben und Entscheidungen von Häftling und Wärterin eintauchen können.
Doch sie schaffte es offensichtlich nicht, sich gegen die vielen anderen Geschichten zu entscheiden, die sich aus einem solchen Massenausbruch entwickeln können. Sie will auch den Gefangenen zu Wort kommen lassen, der eigentlich schon zu alt und resigniert ist für einen Flucht. Diejenigen, die nach Gewalt suchen. Diejenigen, die die Gefangen haben entkommen lassen. Diejenigen, die die Gefangen wieder einfangen. Oder auch diejenigen, die aus dem Ausbruch neues Kapital schlagen. Kurzum: es sind zu viele Personen. Fox kann sich nicht für die Geschichte einiger weniger entscheiden, erzählt stattdessen viele und schadet damit ihrem Buch.
Dass sie ein Faible dafür hat Kriminelle und schräge Vögel als Protagonisten zu wählen, ist jedem klar, der schon Bücher der Autorin gelesen hat. Doch während sie es sonst schafft diese Personen für die Leser sympathisch, nahbar und menschlich zu machen, kann sie bei den vielen Figuren in diesem Buch nur an der Oberfläche kratzen. Mir sind die meisten Personen deswegen unsympathisch und ich braue kaum emotionale Nähe auf. Außerdem erscheinen mir viele Handlungen zu extrem und einiges ist unlogisch.
Nichtsdestotrotz: Das Buch ist spannend und lässt sich schnell lesen. Ich komme nur leider nicht umhin das Buch mit vorherigen Werken der Autorin zu vergleichen und ich muss sagen: Fox hat es schon einmal deutlich besser gemacht. Sie hat es nur dieses Mal nicht geschafft sich zu entscheiden.