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Rasende Flucht durch den Wüstensand

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lulu Avatar

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Der Thriller von Candice Fox katapultiert den Leser gleich auf den ersten Seiten in eine Situation, die an Spannung kaum zu überbieten ist: In nur wenigen Minuten sollen die ersten Menschen sterben, wenn nicht sämtliche Insassen eines Gefängnisses frei gelassen werden. 606 Schwerverbrecher kommen auf freien Fuß und treten die Flucht durch die Wüste Nevada an.
Das allgemeine Chaos ist groß, die Ereignisse überstürzen sich. Die Handlungsstränge verlaufen z.T. parallel und schneiden sich dann wieder überraschend. Nur langsam kristallisieren sich alle Protagonisten heraus. Bis zum Schluss behält die Geschichte dieses hohe Tempo bei, und die Vielfalt der Personen und Schauplätze verlangt dem Leser einiges ab.

Trotzdem hat mich die Geschichte nie richtig ‚gepackt‘. Die Schicksale ließen mich relativ kalt, weil mir die Personen nie richtig vertraut wurden. So wie die Entflohenen und ihre Verfolger im fortwährenden Überlebenskampf im Hochsicherheitstrakt und auf der Flucht keinen Einblick in ihr Inneres gewähren, um sich nicht angreifbar und verletzbar zu machen, so lässt uns auch Candice Fox kaum in die Psyche ihrer Figuren hineinschauen. Stattdessen gewinnt die Darstellung körperlicher Gewalt und sprachlicher Verrohung großen Anteil am Text. Dies mag der Erzählperspektive geschuldet sein, doch mit dem (fehlenden) Einblick in die Psyche der Handelnden bleibt auch die Empathie des Lesers auf der Strecke. Schade! Ich hatte gehofft, nach dem fulminanten Start würde sich das Ganze psychologisch differenzierter und subtiler entwickeln.