Das echte Leben

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In ihrem neusten Werk "Ab morgen wird alles anders" verzaubert Anna Gavalda den Leser mit fünf Kurzgeschichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Jeannot, LKW-Fahrer, muss seinen geliebten Hund einschläfern lassen und wird so schmerzlich an den Tod seines Sohnes erinnert. Mathilde, eine junge Frau vergisst ihre Tasche, die nicht nur all ihre persönlichen Gegenstände und letzte Erinnerungen an ihre verstorbene Mutter enthält, sondern vor allem 10 000 Euro, die ihr nicht gehören in einem Café am Triumphbogen. Obwohl Mathilde die Tasche wiederbekommt, ist nichts mehr wie zuvor. Pierre, Sachverständiger, wird eines Tages in die Schule seines sechsjährigen Sohnes bestellt, der den Reifen seines im Rollstuhl sitzenden Mitschülers zerstochen hat. Yann erfährt erst nach einem Abend bei seinen Nachbarn, wie schön das Leben sein kann, und dass er diese Schönheit verpasst, indem er versucht, es allen Recht zu machen. Lulu will nie wieder einem Mann ihr Herz schenken, wird jedoch von den Worten eines jungen Dichters in der nächtlichen Bahn verführt.
Grau, deprimierend, sarkastisch, gleichgültig, verzweifelt - immer melancholisch und immer mitreißend. So sind die Kurzgeschichten von Anna Gavalda: Fünf Geschichten, fünf Protagonisten, fünf Arten zu denken, fühlen, schreiben, ein begleitendes Gefühl: Trostlosigkeit. Dennoch sind die Geschichten nicht traurig, jedenfalls nicht immer, denn jeder der Protagonisten hat einen Weg gefunden, seine Misere zu bewältigen. Eine gereichte Hand, Worte, Berührungen, ein Abschied. Ein Schimmer Hoffnung im Pariser Alltagstrott, in der grauen Banlieue oder der kalt gewordenen Ehe. Die letzten Worte am Ende der Geschichten zeigen, dass alles anders, dass alles besser werden kann. Anna Gavalda beschönigt nicht, sie stellt keine idealisierte Version der Stadt der Liebe dar, sie zeigt stattdessen das echte Leben. Das hat mir besonders gut gefallen. In "Mathilde" fand ich die Parataxen und die losen Gedanken, die man nicht zuordnen kann nach einer Weile anstrengend, aber sie waren echt. Als wären sie direkt aus dem Innersten dieser jungen Frau gegriffen, bringt Gavalda ihre Zweifel, Hoffnungen, Ängste zu Papier. Die Geschichten lassen einen sprachlos zurück, man weiß nicht ob man lachen oder weinen soll.