Schöne Geschichten, aber sehr melancholisch

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waldeule Avatar

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Schreiben kann sie, die Anna Gavalda, keine Frage, und das hat sie mit diesem Buch wieder einmal eindrucksvoll bewiesen. In den fünf Kurzgeschichten zeigt sie grandios, zu welcher stilistischen Vielfalt sie fähig ist. Gavalda verleiht jedem Ich-Erzähler eine ganz eigene Stimme und variiert grandios je nach Stimmung und seelischer Verfassung der Protagonisten. Hier sprechen nicht nur die Worte, sondern in erster Linie auch die Form.

Aber auch die Worte sind sorgfältig gewählt, arrangiert und in wunderbare Geschichten gegossen. Auf ganz unterschiedliche Charaktere treffen wir, eins gemeinsam ist die tägliche Tretmühle namens Alltag, in der sie sich gefangen fühlen. Und in allen fünf Geschichten kommt es zu Ereignissen oder Begegnungen, die dem Leben der Protagonisten eine neue Richtung geben. Manchmal alltäglich, manchmal außergewöhnlich, manchmal auch traurig, aber immer ganz unerwartet. Die Botschaft und auch der hoffnungsvolle Plot am Ende jeder Geschichte haben mir sehr gut gefallen. Es kommt Farbe und Freude in das Leben der Protagonisten und damit auch in unsere eigenes, denn wiedererkennen wird sich sicher wohl jeder mehr oder weniger.

Allerdings, und das fand ich sehr schade, ist es bis zur Kehrtwende raus aus der Einsamkeit und der damit verbundenen Hoffnung, dass "ab morgen alles anders wird" teilweise ein langer und manchmal auch sehr frustrierender (Lese-) Weg. Die Eintönigkeit und das Alltagsgrau, in dem sich die Charaktere gefangen fühlen, haben mich deprimiert, da kam die Wendung oft fast zu spät. Es ist Geschmackssache, aber ich tue mach schwer mit Büchern, bei denen es den Protagonisten lange Zeit schlecht geht, auch wenn irgendwann eine glückliche Endung folgt. Das war hier meistens der Fall, auch wenn die Texte an sich sehr schön geschrieben sind.

Aus den fünf Geschichten möchte ich „Yann“ herausheben, diese Geschichte fand ich zauberhaft. Wären alle so bunt und spielerisch leicht, hätte mir das Buch mehr Lesefreude bereitet. „Yann“ rettet somit den 4. Stern für nachdenkenswerte und schöne, oft aber auch sehr melancholische Geschichten.