Der Lack ist ab

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Zum Inhalt: In ihrem Roman "Adieu, Sir Merivel" führt Rose Tremain die Geschichte von "Des Königs Narr" weiter. Sie beschreibt das Leben des Ich-Erzählers Robert Merivel als inzwischen älterer Herr des 17, Jahrhunderts in England. Wieder in Gnaden des Königs blickt Merivel voller Wehmut in die Zukunft, die ihn mit Angst, Sorgen und Selbstmitleid erfüllt.

Zum Cover: Hier zeigt sich der Verfall; - wie die kaputte Tapete zerbröselt die Umgebung der Hauptperson. Bildlich und wirklich.

Mein Eindruck: Zerrissen wie die Tapete ist meine Verbindung zu Sir Merivel. Einerseits kümmert er sich teilweise absolut rührend um die ihm nahen Menschen (und Tiere), andererseits tut er dieses eigentlich immer unter dem Aspekt des eigenen Vorteils, - und wenn es nur das gefühlte Wohlwollen eines verstorbenen Freundes ist.
Aber abgesehen von der ambivalenten Haltung zur Hauptfigur ist Rose Tremain ein wunderbares Talent dafür zu bescheinigen, Menschen, Sitten und Vorgehensweisen der Zeit in England, Frankreich und der Schweiz dem Lesenden nahe zu bringen: Man meint die überbordende Pracht von Versailles zu sehen, die Verzweiflung im Angesicht tödlicher Krankheiten zu spüren und den Gestank von Tod, Lüsternheit oder Angst zu riechen. Eine perfekte, fiktive Projektion dieser Zeit, wenn auch die vor allem bei den geschilderten Ausschweifungen benutzte derbe Sprache ein bisschen störte.

Fazit: Opulenter Bilderbogen mit nicht nur sympathischer, dafür aber sehr ehrlicher Hauptperson.
4 Sterne