Überraschend gut!

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schlingpflanze Avatar

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Der Roman "Adlergestell" von Laura Laabs nimmt uns mit zurück in die Zeit des Mauerfalls und der Wende.
Die plötzlichen Veränderungen spüren und erfahren buchstäblich am eigenen Leib die 3 Mädchen, von denen in diesem Buch berichtet wird. Lenka, Chaline und die Erzählerin selbst wachsen in einem Ostberliner Randgebiet auf, an einer Ausfallstraße namens Adlergestell. Diese längste Straße bringt Menschen zueinander und voneinander weg.
Sie kommen aus unterschiedlichen Milieus, welche in dem Buch im einzelnen beleuchtet und beschrieben werden und werden Freundinnen.

Für alle 3 beginnt mit der Einschulung ein neuer Lebensabschnitt, insbesondere auch deswegen, weil plötzlich nichts mehr so ist wie es zuvor einmal war.
So versucht sich eine Jede durch diese neue Zeit so gut es geht hindurch zu hangeln, ohne Schaden zu nehmen- ein wenig orientierungslos jedoch.
Denn die jeweiligen Eltern geben wenig Halt und können keine Richtung weisen, leben sie doch in ihren eigenen und schwierigen Welten und haben sich bereits aufgegeben.
Die Lehrerin, verstrickt in ihren eigenen Komplexen, kann sich in ihrer Rolle weder behaupten noch durchsetzen, was dazu führt, dass die Schüler nur bedingt Respekt vor ihr zeigen.
All diese Personen (Eltern, Großmutter, Tante, Lehrer) werden genau analysiert. Ihr früheres Leben und die Ursachen, die zum jetzigen Zustand führen, werden beschrieben. Somit bekommt der Leser ein tieferes Verständnis und kann Handlungen und Verhalten besser nachvollziehen bzw. verstehen.

Die 3 Mädchen durchlaufen jeweils enorme Metamorphosen und sind auf der Suche nach Antworten, nach Halt, nach Geborgenheit und nach Anerkennung, was in diesem Wandel der Zeit 1990 ihnen niemand zu geben vermag.
Oftmals findet genau diese Suche einen etwas merkwürdigen Ausdruck und sie suchen auf ihre Weise nach den Grenzen und neigen zu extremen Handlungen.
Sie sind frei, das ganze Leben liegt vor ihnen und sie haben bessere Chancen als ihre Mütter und Großmütter. Aber wie lebt man diese angebliche Freiheit? Als ebendiese Grenzen aufweist, kommt es zur Eskalation.

Der Autorin Laura Laabs ist es meisterhaft gelungen, auf interessante, spannende, anschauliche, empathische und durch und durch menschliche Weise zu beschreiben, wie sich die Zeit der Neuausrichtung zwischen Ost- und Westdeutschland- exemplarisch an den Beispielen der 3 Freundinnen- anfühlen konnte.
Sie hat dabei menschliche Abgründe und tief sitzende Ängste beschrieben und Fragen aufgeworfen, für die es von den Erwachsenen so oft keine Antworten gibt.

Entstanden ist ein überraschend guter Roman, der wie aus dem Leben gefallen zu sein scheint und den ich voller Erwartung verschlungen habe.
Wortgewaltig, tiefgründig und sehr authentisch- eine klare Leseempfehlung!