Was für ein Leben

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natimaus Avatar

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Ursula Kuczynski, so Agent Sonjas bürgerlicher Name, kam schon mit 16 Jahren mit dem Kommunismus in Berührung und er ließ sie Zeit ihres Lebens nie wieder los, egal, was auch passierte. Ihr Lebensweg führte von Berlin nach Shanghai, in die Mandschurei, in das Ausbildungslager "Sperling" in der Sowjetunion, nach Polen, in die Schweiz, nach Groß Britannien und schließlich in die DDR. Ursula war eine geniale Spionin, die es schaffte, überall ein Agentennetzwerk aufzubauen, ohne ihre Tarnung zu verlieren, obwohl sie von verschiedenen Geheimdiensten observiert wurde. Ihr Leben als Top-Spionin, Ehefrau und mehrfache Mutter nötigte mir, bei allem Vorbehalt für den "Beruf" Spionin Respekt ab. Für Ursula war Spionage wie eine Droge, erst im Angesicht der Gefahr lebte sie richtig auf und war stets glücklich, Moskau helfen zu können.
Ben Macintyre hat eine unglaubliche Recherchearbeit geleistet, um "Agent Sonja" schreiben zu können und er schafft es, die verschiedenen Quellen so in das Buch zu integrieren, dass sie absolut nicht störend, sondern eher wie Teile eines Dialogs oder einer Lebensabfolge wirken. Er beschreibt die Charaktere sehr präzise, scheut nicht vor Wertungen zurück ("Agnes stolzierte wie ein Gockel aus dem Raum ... " , S.103) und spart auch nicht an Kritik an Ursulas fanatischem Glauben an den Kommunismus und die Sowjetunion. Ganz Brite würzt er etliche Stellen mit typisch britischem schwarzem Humor, die dem Buch ein bisschen seine Ernsthaftigkeit nehmen, aber nie seinen Dokumentationscharakter ( "... ein Bürokrat mit dem Ideenreichtum eines Omeletts." S. 335).
Das Buch erfordert viel Konzentration beim Lesen, wenn man kein Kenner der kommunistischen Szene ist. Es beinhaltet unwahrscheinliche viele Informationen über den Kommunismus in aller Welt, was es manchmal etwas langatmig macht. Es taucht eine Flut von verwirrenden chinesischen, polnischen und russischen Namen und Abkürzungen auf, die genauso schnell wieder verschwinden wie sie aufgetaucht sind, um dann 50 Seiten später wieder in Erscheinung zu treten. Hier wäre ein Glossar sehr hilfreich gewesen.
Fazit: Äußerst lesenswert, besonders wenn man sich für den Kommunismus interessiert.