Moorgeister der Vergangenheit

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Auch in ihrem neuen Roman „Als wir an Wunder glaubten“ geht die Autorin Helga Bürster dem Thema Heimat, Verbundenheit und Zugehörigkeit sehr feinfühlig und empathisch auf den Grund – diesmal kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs in dem fiktiven ostfriesischen Dorf Unnenmoor, in dem die Bewohner mit Kriegstraumata, Armut, Moorgeister und jeder Menge Aberglaube in Zeiten großer Unsicherheit und Weltuntergangsprophezeiungen zu kämpfen haben.

Im Fokus stehen dabei dickköpfig-starke Frauen, die ohne Männer alleine auf sich gestellt versuchen, in der Dorfgemeinschaft weiterzuleben – doch ominöse Wunderheiler versprechen Heilung vom Bösen und die Verfolgung von scheinbaren Hexen hatte großen Zuspruch. So müssen sich die alte Guste sowie Betty Abels und ihre Mutter Edith neben den Bangen um die im Krieg verschollenen Männer mit übler Nachrede und gefährlicher Verfolgung auseinandersetzen. Als Annies Mann Josef ohne Beine und Erinnerung aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, überwiegt anfangs die Freude, doch auch ihn lassen die psychischen Wunden und alte Dämonen nicht los und die Suche nach der schuldigen Hexe nimmt ihren düsteren Lauf.

Mit viel Lokalkolorit und einigen plattdeutschen Dialogen zeichnet Helga Bürster mit einer mystisch-dichten Atmosphäre ein eindringliches, vom Schrecken geprägtes Bild eines seelisch zerrütteten Nachkriegsdeutschland, in dem die Menschen daran glaubten, für ihre Sünden bestraft zu werden und nicht mehr wussten, an was sie noch glauben können.

„Schließlich war Krieg gewesen und die Sünden, die begangen worden waren, wogen so schwer, dass da nichts zu vergeben war. Der Teufel würde sie alle holen. Zwar sprach das keiner laut aus, aber viele dachten so.“ S. 14

Sehr gut in Archiven recherchiert, webt die Autorin dabei subtil wahre Begebenheiten der abergläubischen Hexenverfolgung ein, was bei derzeitigen Verschwörungstheorien sehr aktuell und aufrüttelnd wirkt. Bewegend und authentisch fängt sie mit bildgewaltig-gespenstischen Szenen die große Orientierungslosigkeit und seelischen Nöte der Dorfbevölkerung ein, die lange nachhallen und doch auch einen fragilen Funken Hoffnung für eine bessere Zukunft versprühen.