Langer Weg zurück

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bobbi Avatar

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Edna ist fast 90, hat aber noch etwas auf ihrer Lebensagenda, das ihr keine Ruhe lässt und vor dem erzwungenen Eintritt ins Altersheim erledigt werden muss: In ihrer Kindheit hat sie zusammen mit Jacob ein Leid geteilt: Schwabenkinder, die aus armen Familien unter anderem von Südtirol auf deutschen Bauernhöfen zur harten Land- und Hausarbeit wie auf Viehmärkten „vermittelt“ wurden. Mit dem kleinen Jungen verbindet sie eine Freundschaft, aber auch Zusammenhalt in schweren Zeiten. Er stand immer zu ihr, der „Zimperliese“ – bis sich ihre Wege im Zweiten Weltkrieg trennten. Bepackt mit ihrem „Paradiesvogel“-Papagei Emil, einer Landkarte aus alten Tagen und ein paar Habseligkeiten macht sie sich auf den beschwerlichen, langen Weg nach Ravensburg – denn sie hat ein Foto von Jacob in einer Zeitschrift entdeckt. Da sie Gewissensbisse wegen damals plagen, schmiedet sie eine Pilgerreise der besonderen Art.

„Schließlich war ihr klargeworden, dass sie ihren eigenen Spuren folgen und genau denselben Weg zurückgehen musste, um zum Anfang zurückzukehren und den Faden neu aufzurollen. Jeder Strich auf der Karte, die sie als Mädchen gezeichnet hatte, musste nun auf dieselbe Weise ausradiert werden.“ S. 120

Unterwegs passieren Edna so einige Zwischenfälle, skurrile Begegnungen, Abenteuer, aber ihre Gedanken hängen sehr oft in der Vegangenheit – so unterteilt sich der Roman in zwei Zeitebenen: Edna auf ihrer Reise und die kleine Edna als Schwabenkind und ihre traumatischen Erlebnisse.

Romina Casagrande schreibt sehr atmosphärisch, emotional und an manchen Stellen sogar poetisch – einige kleine Sätze haben mir in ihrem feinen Nachklang gefallen. Doch die gesamte Geschichte konnte mich leider nicht bis zum Ende packen, da ich diese harte Reise über die Alpen einer 90-jährigen Frau nicht zutraue. Daraus hätte man sicherlich etwas Packendes à la der Hundertjährige stricken können, doch Ednas Erlebnisse waren mir etwas zu unrealistisch, oberflächlich und albern. Trotzdem ein schöner, flüssiger Roman, der wichtige historische Ereignisse bespricht und gerade an diesen Stellen sehr betroffen macht.