Vermutungen
Was bleibt von einem Leben? Dieser Frage geht Autor Henning Sußebach nach, indem er über das Leben seiner Urgroßmutter Anna recherchiert – eine, so scheint es, interessante Persönlichkeit, die in einer Zeit voller Umbrüche lebte.
Die Grundidee hat mich wirklich überzeugt. Vor allem am Anfang des Textes, als der Autor seine Beweggründe, seine Reflektionen erörterte, wurde auch ich stark zum Nachdenken angeregt. Was weiß ich über meine Urgroßeltern (kaum etwas), was wird von meiner Generation bleiben – wir, die wir alle so viel besitzen und selbst unser Frühstück an einem ganz normalen Dienstag dokumentieren, während von Anna außer einem Poesiealbum, ein paar Postkarten, einem Ring und einem Kaffeeservice kaum etwas geblieben ist. Die Thematik bietet viel Raum, zu philosophieren: Wird das Leben eines Menschen weniger bedeutend, weil es Alltag war? Oder ist gerade das Alltägliche, das vermeintlich „langweilige“, wertvoller, weil es die Basis für ein echtes Leben bildet? (Und wer bestimmt überhaupt, was interessant und was langweilig ist?)
Allerdings fällt die Umsetzung der Idee etwas schwächer aus. Zu sehr verliert sich der Autor an manchen Stellen in Vermutungen oder zieht Parallelen zur Gegenwart. An anderen Stellen, wo es meines Erachtens nötig gewesen wäre, fehlt hingegen jegliche Einordung oder Informationen aus Annas Leben werden einfach so hingenommen, ohne diese ausreichend zu hinterfragen. Ein sehr krasses Beispiel hierfür ist der Auszug aus Schulbüchern. Grundsätzlich nicht unrelevant, immerhin war Anna Lehrerin. Aber muss dafür eine Stelle gewählt werden, die abscheulichste Rassentheorie wiedergibt, in der mehrfach rassistische Bezeichnungen reproduziert werden? Klar - das hat historisch so stattgefunden, aber es wird einfach so stehen gelassen, ausgerechnet dafür gibt es keine richtige Kontextualisierung; nur ein Halbsatz sehr viel später im Buch. Unüberlegt und schade.
Trotz der Schwächen in der Umsetzung bleibt die Grundidee stark und bietet viele Denkanstöße, über die eigenen Vorfahren, aber auch ganz konkret über die Bedeutung eines Lebens nachzudenken.
Das Hörbuch ist hochwertig produziert und gut gelesen von der Schauspielerin Nina Petri.
3,5 Sterne
Die Grundidee hat mich wirklich überzeugt. Vor allem am Anfang des Textes, als der Autor seine Beweggründe, seine Reflektionen erörterte, wurde auch ich stark zum Nachdenken angeregt. Was weiß ich über meine Urgroßeltern (kaum etwas), was wird von meiner Generation bleiben – wir, die wir alle so viel besitzen und selbst unser Frühstück an einem ganz normalen Dienstag dokumentieren, während von Anna außer einem Poesiealbum, ein paar Postkarten, einem Ring und einem Kaffeeservice kaum etwas geblieben ist. Die Thematik bietet viel Raum, zu philosophieren: Wird das Leben eines Menschen weniger bedeutend, weil es Alltag war? Oder ist gerade das Alltägliche, das vermeintlich „langweilige“, wertvoller, weil es die Basis für ein echtes Leben bildet? (Und wer bestimmt überhaupt, was interessant und was langweilig ist?)
Allerdings fällt die Umsetzung der Idee etwas schwächer aus. Zu sehr verliert sich der Autor an manchen Stellen in Vermutungen oder zieht Parallelen zur Gegenwart. An anderen Stellen, wo es meines Erachtens nötig gewesen wäre, fehlt hingegen jegliche Einordung oder Informationen aus Annas Leben werden einfach so hingenommen, ohne diese ausreichend zu hinterfragen. Ein sehr krasses Beispiel hierfür ist der Auszug aus Schulbüchern. Grundsätzlich nicht unrelevant, immerhin war Anna Lehrerin. Aber muss dafür eine Stelle gewählt werden, die abscheulichste Rassentheorie wiedergibt, in der mehrfach rassistische Bezeichnungen reproduziert werden? Klar - das hat historisch so stattgefunden, aber es wird einfach so stehen gelassen, ausgerechnet dafür gibt es keine richtige Kontextualisierung; nur ein Halbsatz sehr viel später im Buch. Unüberlegt und schade.
Trotz der Schwächen in der Umsetzung bleibt die Grundidee stark und bietet viele Denkanstöße, über die eigenen Vorfahren, aber auch ganz konkret über die Bedeutung eines Lebens nachzudenken.
Das Hörbuch ist hochwertig produziert und gut gelesen von der Schauspielerin Nina Petri.
3,5 Sterne