Nicht wirklich enttäuscht, aber auch nicht begeistert

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singstar72 Avatar

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(Ich möchte vorausschicken, dass diese Rezension Spoiler enthält. Aber anders kann ich meine Wertung nicht begründen.)

Ich kann leider, trotz aller positiven Erwartungen, mit denen ich an dieses Buch gegangen bin, nicht über eine mittlere Bewertung hinaus. Es ist nicht leicht zu fassen, woran das liegt. Denn „schlecht“ ist der Text sicherlich nicht…

Ein Busfahrer, der biedere und schüchterne Anton, beschließt spontan, aus der Routine auszubrechen, und setzt seine Linienfahrt ungeplant fort. Mit der gesamten Bagage, darunter etliche Teenager, eine demente Dame und eine krebskranke Frau, fährt er nach Italien, ans Meer. Damit Carla noch einmal in ihre Heimat kommt.

So weit, so gut. Eine wirklich schöne Idee, die an diverse literarische Erfolge der letzten Zeit erinnert – unter anderem „Harold Fry“ von Rachel Joyce. Auch die Sprache und der Humor sind eigentlich in Ordnung – alles sehr liebevoll und poetisch.

Doch letztlich scheint es mir, als habe dieser schmale Band „zu viel gewollt“. Da ist einmal die wirklich frappierende Kürze; was mir vorher gar nicht klar war. 140 Seiten; das mag ich nicht einmal als „Roman“ bezeichnen. Aber auch nicht als Märchen oder Parabel. Es steckt alles im Ungefähren fest.

Zuerst einmal musste ich erst im Laufe des Buches „herauslesen“, dass es in Österreich spielt. Ich hatte mich schon gewundert – wie sollte überhaupt ein alter Bus mit nur einer Tankfüllung an einem einzigen Tag nach Italien kommen…? Als dann der Begriff „Tauernautobahn“ fiel, dämmerte es mir. Okay, somit wurde die Handlung zumindest ein wenig wahrscheinlicher. Am Anfang dachte ich, es spiele in Norddeutschland; die Beschreibung der Dörfer hätte gepasst. Es kamen dann noch diverse „Austriazismen“ hinzu, also Ausdrücke oder grammatische Wendungen, die man so in Deutschland nicht verwendet. Ich finde, das hätte man durchaus im Klappentext erwähnen können – den Schauplatz, meine ich.

Ich war unzufrieden damit, dass manches nur angedeutet wurde, oder ungeschickt dargestellt in meinen Augen. Zum Beispiel die Liebesgeschichte mit der Nachbarin des Busfahrers, die ich in der Leseprobe noch charmant fand. Doris fährt zu Beginn des Buches einfach los, wie eine Wilde – offenbar auf der Suche nach Anton. Da dachte ich, er sei mit seinem Bus aufgeflogen, und sie hätte erst jetzt ihre Gefühle für ihn entdeckt. Doch dieser vielversprechende Ansatz verpufft irgendwie. Nein, es stellt sich heraus, sie fährt los, weil seine Mutter sie angerufen hat… und außerdem sind sie schon längst ein Paar, hatten nur ein Missverständnis… Das empfand ich als Anti-Höhepunkt. Sehr schade. Außerdem fand ich die inneren Monologe von Doris im Laufe des Buches nicht immer gelungen, teilweise sehr flach.

Dann die demente Frau, die zufällig mit im Bus sitzt, und unfreiwillig mit auf die Reise geht. Ich habe das Gefühl, der Autor hat noch nicht viel Erfahrung mit Demenz gemacht. Ohne das jetzt übermäßig breit treten zu wollen – nein, manches hat in der Schilderung der alten Dame nicht gepasst. Außerdem hätte dieser Erzählstrang mehr Raum verdient.

Dann auch noch die Hippies, die den Bus klauen… hm, das war ein „nett gemeinter“ Erzählfaden, der wiederum in seiner Wirkung besser gewesen wäre, hätte er mehr Raum gehabt. Es las sich ansatzweise schon gut, fast wie bei dem „Hundertjährigen“, der verschwand. Aber in einem so kurzen Buch war mir das definitiv „zu viel“.

Schlussendlich auch noch ein Hase, ein Haustier als blinder Passagier, und die krebskranke Carla… und Anton, der sein Selbstbewusstsein entdeckt… Das ganze Buch wirkt auf mich wie eine Skizze, die als „richtiger Roman“ sicher super geworden wäre. Doch so sind es für mich nicht viel mehr als nette Andeutungen. Zudem das Ende auch irgendwie „abgewürgt“ wirkt.

Ich verleihe dennoch drei sehr wohlwollende Sterne. Weil der Autor sich einer liebe- und stilvollen Sprache bedient, etliche humoristische Ansichten hat, und poetische Bilder verwendet. Und weil da noch viel „Raum nach oben“ ist.