Die Zeit heilt nicht alle Wunden

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buecherfan.wit Avatar

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Milena Busquets Roman „Auch das wird vergehen“  beginnt mit der Beerdigung der Mutter, die nach langer qualvoller Krankheit gestorben ist. Die Protagonistin stürzt dieses Ereignis in eine tiefe Krise. Ihre Ex-Männer, drei Freundinnen mit Kindern oder Partner stehen ihr bei. Sie folgt ihrem Rat, einige Zeit in Cadaqués auf dem Familiensitz zu verbringen. Mit Cadaqués verbindet Blanca viele glückliche Erinnerungen, und die Schönheit der Landschaft spendet ihr Trost. Liebe und Sex, Alkohol und Drogen, ausgelassene Stunden am Meer lenken sie von ihrem Schmerz ab. Flirten und Sex  sind auch in tiefster Trauer möglich. „Carpe diem“ heißt die Devise.

Erzählt wird aus der Perspektive der Protagonistin. Sie wendet sich immer wieder direkt an die Mutter, die für sie lebendig ist, nicht eine schnell verblassende Erinnerung. Sie ruft sich Episoden und Gespräche ins Gedächtnis,  in denen die Mutter ihr antwortet. Am Ende hat sie sogar eine Vision:  Sie sieht sie auf der Mole entlang gehen.

Die Mutter-Tochter-Beziehung wird keineswegs konfliktfrei dargestellt. In der letzten Phase ihrer Krankheit wurde die Mutter schwierig und ziemlich unsympathisch. Selbst in den besten Zeiten herrschte große Distanz zwischen den Frauen. Dennoch ist sich Blanca bewusst, dass ihre Mutter sie alles gelehrt hat, was ihr Leben ausmacht. Von ihr hat sie vor allem den Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit. Blanca wird als eine Frau dargestellt, die die Liebe und Bewunderung der Männer so dringend braucht wie die Luft zum Atmen. Am Ende weiß sie jedoch, dass die Mutter die Liebe ihres Lebens war. Es wird glückliche Momente in ihrem Leben geben, und sie wird sich immer der Schönheit des Lebens bewusst sein, aber unter dem Verlust der Mutter wird sie bis zu ihrem letzten Atemzug leiden („Ich werde ohne dich leben, bis ich sterbe.“ S. 168).

Im Epilog wird der Romantitel erklärt, der sich auf eine Geschichte bezieht, die die Mutter ihr zum Trost nach dem Tod des Vaters erzählt hat. Ein Kaiser beauftragte die Weisen seines Landes, einen in jeder Situation gültigen Satz zu finden. Nach reiflicher Überlegung  nannten sie ihm den Satz „Auch das wird vergehen.“  Blanca bekommt am Ende ihr Leben in den Griff,  und  es geht ihr allmählich besser, aber sie weiß genau, dass dieser Satz für sie nicht zutrifft. Ihre Wunden  heilen nicht, auch wenn noch so viel Zeit verstreicht.

Mir hat der sprachlich sehr schöne Roman außerordentlich gut gefallen:  die Figuren, die zentrale Thematik von Liebe und Tod, die autobiografischen Bezüge, die man mehr ahnt als explizit dargelegt bekommt und nicht zuletzt die poetischen Landschaftsbeschreibungen. Ein sehr empfehlenswertes Buch