eine Bestandsaufnahme

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miro76 Avatar

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Blanca ist vierzig, zwei Mal geschieden und Mutter zweier Söhne, als ihre Mutter nach schwerer Krankheit stirbt.

„Mama, du hast mir versprochen, wenn du stirbst hätte ich mein Leben auf der Reihe und in Ordnung und der Schmerz wäre auszuhalten, du hast nichts davon gesagt, dass ich mir am liebsten die Eingeweide rausreißen und sie mir in den Mund stopfen würde.“ (S. 12)

Blanca scheint am Verlust der Mutter fast zu zerbrechen. Dabei lässt die Autorin immer wieder durchblicken, dass ihr Verhältnis früher nicht ganz einfach war und ihre Kindheit nicht immer liebevoll.

„Wir sind wohl die letzte Generation, die das Interesse oder die Aufmerksamkeit ihrer Eltern aus eigener Kraft erringen musste. In vielen Fällen ist uns das erst gelungen, als es bereits zu spät war.“ (S. 158)

Vielleicht bewirkt gerade dieses Missverhältnis, dass der Tod der Mutter für Blanca so schwer zu verkraften ist. Der Verlust erscheint vielleicht größer, wenn noch Fragen offen sind.
Um wieder zu Kräften zu kommen und wieder zu sich selbst zu finden, verbringt Blanca mit ihren Söhnen, einigen Freunden und ihren Ex-Männern einige Tag im Ferienhaus, das der Mutter gehörte. Blanca findet in ihren Beziehungen zu den Männern in ihrem Leben Halt und lernt langsam wieder nach vorne zu blicken.

Milena Busquets‘ Roman gleicht einer Bestandsaufnahme. Blanca erinnert sich in ihrem Schmerz an ihre Kindheit, ihre vergangenen Beziehungen und ihre eigene Art Mutter zu sein. Sie denkt nach, über das Leben, die Liebe, den Verlust. Sie hat ein gutes Verhältnis zu ihren vergangenen Lieben und Sex ist ein wichtiger Faktor in ihrem Leben.
Ich finde es schön, dass Blanca eine vierzigjährige ist, deren Leben nicht vollständig in geordneten Bahnen verläuft, denn darin kann ich mich wiedererkennen. Auch ich frage mich manchmal, wann ich denn nun wirklich erwachsen sein werde. Aber auch ich gehöre der Generation an, die die Aufmerksamkeit der Eltern aus eigener Kraft erringen musste. Wir haben nicht mehr so viele Sorgen um Grundbedürfnisse, wie die Generationen vor uns. Das schafft uns den Freiraum, so viel über unser Leben und Handeln nachzudenken. Vielleicht macht das das Leben nicht unbedingt glücklicher. Blanca findet im Sex Hilfe. Sie braucht wohl diese unbedingt Nähe. Sie kann nicht alleine sein.
Aber sie hat genug Menschen um sich, die ihr die Zuversicht eben, dass auch das vergehen wird.