Falsches Frauenbild

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hurmelchen Avatar

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Die 40 jährige Blanca hat ihre Mutter verloren und kann der Trauer kaum Herr werden. Sie beschließt, den Sommer im Ferienhaus der Verstorbenen zu verbringen, um sich dort über ihren Seelenzustand klar zu werden. Begleitet wird Blanca dabei von ihren beiden Söhnen, ihren Ex- Männern, Freundinnen mit Anhang und ihrem aktuellen Liebhaber, der den Sommer ebenfalls in der Nähe, am Meer, verbringen will.
Der Aufenthalt ist geprägt von Erinnerungen an die exzentrische Mutter und Gedanken über Liebe und Leben.

In der Presse halb Europas hymnisch besprochen ( darf man den Klappentexten trauen), auf spanischen, italienischen, französischen und holländischen Bestsellerlisten zu finden, ist Milana Busquets schmaler, 170 Seiten langer Roman nun auf Deutsch erschienen, und man kann davon ausgehen, daß auch hierzulande die einschlägigen ( Frauen ) Zeitschriften vor Begeisterung in die Knie gehen.

Die 1972 in Barcelona geborene Autorin, die in diesem Roman aus ihrer Biografie schöpft, findet zum Teil wunderschöne Worte für das Verlorensein ihrer Protagonistin Blanca nach dem Tod der geliebten, aber auch schwierigen Mutter.
"Dummerweise verschwinden die Familien, die man sich aussucht, schneller als die, mit denen man verwandt ist." ist so ein großartiger Satz. Leider kann die wirklich schöne Sprache aber die Schwäche der Geschichte nicht verbergen.

Der in der " Ich - Form" erzählte Roman kommt einem über weite Strecken wie eine therapeutische Sitzung vor, so existentiell werden Ängste, Traumata und Lebensweisheiten ausgebreitet. Nach ca. 50 Seiten wirkt diese Psycho - Nabelschau allerdings voyeuristisch, zumal der Leser sich außerdem nonstop mit dem Sex - und Drogenkonsum Blancas konfrontiert sieht.
Die trauernde Tochter definiert sich nämlich ausschließlich über ihr Geschlechtsleben und ihre Attraktivität, trinkt und kifft, was das Zeug hält.
Das ist inhaltlich, selbst für magere 170 Seiten, zu wenig Substanz.
Blanca geht ihre Trauer mit weinerlichem Selbstmitleid an, und wirkt daher unsympathisch. Keine Kraft erwächst aus ihr, sie kümmert sich nicht um ihre Kinder, die nebenher mitlaufen, kann und will nicht kochen, wovon sie lebt ( ihr Erbe?) bleibt unergründlich, und sie scheint, außer dem Geschick für Sex, keine weiteren Qualitäten zu
haben. Blanca ist ein undefinierbarer, verantwortungsloser Charakter.
Selten war mir eine Romanheldin gleichgültiger, ließ mich ein Schicksal unberührter.
Die Männer, die Blanca antörnen, sind männlich, kantig, ebenfalls Drogen - und Alkoholabhängige, und primär dazu da, sie zu trösten, zu begatten und zu pampern...
Was für ein Frauen - und Männerbild im 21. Jahrhundert!

Milena Busquets Roman wurde in einigen Besprechungen mit Francoise Sagans Bestseller " Bonjour Tristesse" verglichen, denn auch dieses Buch spielt während eines Sommers und handelt von der Liebe, von einer toten Mutter und Eifersüchteleien. Allerdings ist bei Sagan die Protagonistin 17 Jahr alt, während Blanca deren Mutter sein könnte.
Eine 17- jährige auf dem Selbstfindungstrip, die ihre sexuelle Anziehungskraft austestet, ist vielleicht charmant, einer gestandenen Frau will man ernsthaft bei so viel Oberflächlichkeit nicht begleiten.
"Bonjour Tristesse" mag im Erscheinungsjahr 1954 freizügig und atemberaubend gewesen sein, "Auch das wird vergehen" ist 60 Jahre später erschienen, und man hätte sich erhofft, daß das Frauenbild in unserer Zeit, ein anderes ist.