Alternativen zum Jetzt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
milena Avatar

Von

Jennifer Clement hat mich mit "Gebete für die Vermissten" stark beeindruckt. Ich habe sie in dem Buch als eine Autorin mit einer klaren Botschaft kennengelernt. Bei dem Buch "Auf der Zunge" bleibt mir der Zugang leider verwehrt. Eine Frau, Jahrgang 1961, jüdischen Glaubens, Nachfahrin ukrainischer Einwanderer, Mutter einer Tochter, ehrenamtlich als Bibliothekarin in New York tätig, verheiratet mit einem erfolgreichen Anwalt, streift scheinbar ziellos durch New York. Die für New York typischen Feuertreppen, Brownhouses und gastronomischen Einrichtungen wiederholen sich für meinen Geschmack etwas zu häufig. Die Frau ist ihres Lebens irgendwie überdrüssig, ohne dass man genau erkennen kann, worin die Gründe liegen. Die Tochter bleibt konturenlos, vom Ehemann erfährt man zwar viel über seine gut gefüllten Kleiderschränke, aber ansonsten nur wenig. Auf diesen Streifzügen begegnen ihr Männer, die Dichter, Astronaut, Löwenbändiger und Räuber als Tätigkeitsbezeichnung angeben. Völlig distanzlos und unvermittelt wird Bekanntschaft geschlossen und man verliert sich in philosophischen, nicht immer nachvollziehbaren Dialogen und Handlungen. Der Ehering wird verschenkt, ein anderer Ring angenommen, Handlungen, deren Sinn sich nicht entschließt. Ich will nicht verhehlen, dass dem Buch eine gewisse poetische Magie anhaftet, auch die Idee, das Korsett des zermürbenden Alltags zu sprengen und etwas Neues zu beginnen, ist irgendwie prickelnd. Ich bin aber definitiv nicht der Leser für scheinbar unzusammenhängende Episoden, ungeklärte Motive und Absichten und ein Buch, das Fragen aufwirft, aber die Antworten schuldig bleibt.