Poetisch, verwirrend, surreal

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cara_lea Avatar

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Jennifer Clement hat mit »Auf der Zunge« ein ungewöhnliches Buch geschrieben. Kurze, knappe Sätze, die schonungslos direkt und zugleich verwirrend sind. Manchmal melancholisch abdriftend, dann wieder poetisch und nachdenklich.
Ich habe sehr gut in das Buch hineingefunden. Gleich die ersten Seiten haben mich in den Bann gezogen und schnell weiterlesen lassen. Zwischen den Absätzen wurde viel Platz gelassen, sodass die bereits geringe Seitenanzahl von 140 Seiten noch geringer wird.

Das erste Drittel des Buches hat mir sehr gut gefallen. Die Protagonistin streift alleine durch Manhattan. Sie ist unglücklich in ihrer Ehe und ist voller Sehnsucht. Ihre Bekanntschaften mit diversen Männern werden in Kapitel unterteilt, deren Berufe als Kapitelüberschriften genannt werden. Am Anfang konnte ich es noch nachvollziehen, doch dann wurde es immer abstruser und die Dialoge, Beschreibungen etc. waren wirr und seltsam. Teilweise war mir nicht mehr klar, ob die Protagonist unter Wahnvorstellungen leidet, alles ihrer Fantasie entsprungen ist, ob überhaupt irgendetwas davon tatsächlich stattgefunden hat oder ob sie dies alles in ihren Romanen gelesen hat. Immer wieder wird betont, dass die Frau von Beruf Bibliothekarin ist, weswegen mir der Gedanke während dem Lesen häufiger kam.

Insgesamt ein sehr guter Einstieg mit teilweise interessanten und beinahe schmerzlich schönen Sätzen, die jedoch im weiteren Verlauf der Geschichte immer abstruser und verwirrender wurden. Am Ende wusste ich nicht mehr, was ich von dem Buch und den Ereignissen halten soll. Was davon war echt? Was wollte die Autorin damit bezwecken? Zum Schluss blieben viele Fragen übrig. Ein interessantes Leseerlebnis, das mich jedoch etwas ratlos und verwirrt zurücklässt.