Poetischer Streifzug durch New York

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juliav Avatar

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Eine Frau läuft durch Manhattan und begegnet verschiedenen Männern: dem Polizisten, dem Dichter, dem Räuber, dem Löwenbändiger.
Das Cover, eine verschwommene Schwarz-Weiß-Fotografie, zeigt die Rückenansicht einer Frau im gestreiften Kleid. Man sieht ihr Gesicht nicht, ihr Alter ist unbestimmbar.
Ähnlich rätselhaft wie die Figur auf dem Cover bleibt auch die Protagonistin dieses Romans, einem schmalen Band mit nicht einmal 150 Seiten. Ihr Name wird nicht genannt, und auch sonst erfährt man nicht viel über sie, weder wie sie aussieht noch wie alt sie ist. So hat sich mir erst nach einiger Zeit erschlossen, dass es sich um eine schon ältere Frau handelt, die eine Tochter hat. Anderes wird nur kurz erwähnt, aber nicht weiter vertieft, wie zum Beispiel ihr jüdischer Background.
Auch ihr Ehemann wird nicht namentlich genannt, sondern nur „der Anwalt“, und nicht näher beschrieben. Er bleibt blass, ein Mann ohne Eigenschaften, greifbar nur durch seine Anzüge, die im Schrank hängen. Dadurch wird er zu einem unter vielen anderen Männern, was sicherlich kein Zufall ist.
Ich muss sagen, dass ich beim Lesen manchmal nicht wusste, was ich von dem Buch halten soll. Es gibt kaum äußere Handlung, und die Begegnungen und Dialoge mit den Männern wirken der Welt seltsam entrückt, irgendwie schwebend. Durch die klare, bildreiche Sprache bekommt der Text etwas Poetisches. Die einzelnen Kapitel, übertitelt mit den jeweiligen Männern („Der Astronaut“), sind nie mehr als ein paar Seiten lang und dadurch recht kurzweilig.
Letztendlich habe ich es doch gerne gelesen, und es hat mir gut gefallen. Auch hat es mich neugierig gemacht auf weitere Werke der Autorin.

Fazit: Für Leser*innen, die einen ungewöhnlichen Erzählton schätzen, und für Liebhaber*innen von New York City allemal eine Leseempfehlung!