tolle Ansätze, die leider nicht auserzählt werden

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
alicii Avatar

Von

Die Grundidee des Buchs ist eigentlich sehr vielversprechend, inspiriert von der Sage Vinetas und der Geschichte versuchter Staatsneugründungen, Kommunen und fiktiver Staaten wirft die Autorin einen Blick in die Zukunft, auf die Seestatt VINETA vor der deutschen Ostseeküste. Dort wächst Yada heran. Durch ihren Vater, den Gründer der Seestatt, weiß sie, dass die restliche Welt durch klimatische Katastrophen im Chaos versunken ist und sie nur in der Seestatt sicher ist. Doch mit der Zeit beginnt sie das ihr über Jahre vermittelte Weltbild und ihr abgeschirmtes Leben immer mehr zu hinterfragen...
Während Yada die ersten Recherchen anstellt, erfährt der Leser bereits durch einen zweiten auf dem Festland angesiedelten Erzählstrang, dass die Welt keineswegs im Chaos versunken ist, sondern die gesellschaftlichen und politischen Strukturen noch intakt sind. Helena lebt in Berlin und führt ein unstetes Leben als Künstlerin, Orakel und Sektengründerin, ihr Ruhm ist aber eher zufällig und durch die sozialen Medien herbeigeführt. Sie treibt ziellos durch ihr Leben, lediglich ihr durch eigene Recherchen zusammengestelltes Archiv von Visionären und Utopien scheint ihr Halt zu geben.

Die Autorin hat viele Ideen und Einfälle, mit denen sie ihre utopische Welt fühlt und ihr im Hinblick auf politische und gesellschaftliche Strukturen Tiefe verleiht. So ist das Leben auf dem Festland zwar nicht im Chaos versunken, aber die heute schon bestehenden Probleme haben sich weiter verschärft: der Klimawandel führt dazu, dass es im Sommer schneit, man kann sich trotz eines gut bezahlten Jobs keine Wohnung in Berlin mieten, es gibt Zeltstädte und Slums in heruntergekommenen Hochhäusern, die sozialen Medien haben die Kraft jemand zu großem Ruhm zu verhelfen oder ihn für ewig zu verstoßen. Der Kapitalismus regiert die Welt, letztlich auch die Seestatt mit ihren steuerlichen Vorteilen und der Ausbeutung der Mitarbeiter.
Leider nimmt sich die Autorin nicht die Zeit, diese Ideen auszuerzählen und die Geschichte erhält dadurch eine gewisse Oberflächlichkeit, die bei mir ein Gefühl der Unzufriedenheit hinterlässt. Vor allem die Archivkapitel wirkten auf mich teilweise sprachlich unnötig komplex und wenn die Geschichte mal ein bisschen in Fahrt kam, folgte meist ein Kapitel, dass sie wieder etwas ausbremste. Die Unvollständigkeit sehe ich auch bei den Figuren, so nimmt beispielsweise Yadas Vater eine zentrale Rolle in der Geschichte ein und man erfährt viel über ihn, aber nur wenig von ihm, es wäre interessant und für die Geschichte bereichernd gewesen, wenn seine Perspektive auf die Seestatt und ihre Probleme mehr Raum gekriegt hätte.