Zukunft voraus?

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Yada lebt in Seestatt, welches von ihrem Vater errichtet wurde, weil er denkt, die Welt stehe kurz vor dem Untergang. Was als autarke Lebensrealität gedacht war, entpuppte sich langsam als sektenförmiges Gebilde und Yada beginnt an dem Leben zu zweifeln, das ihr aufgezwungen wird. Ihren Vater bekommt sie nur selten zu Gesicht, meist ist er auf Reisen. Ihre Mutter ist angeblich einer mysteriösen Krankheit zum Opfer gefallen und auch so sei sie psychisch labil gewesen. Und dann ist da noch die Künstlerin Helena, die den Glauben an alles verloren hat und nur noch im Exzess lebt. Sie gründet eher versehentlich eine Sekte, will sich aber mit ihren Jünger*innen nicht beschäftigen und flieht vor etwas, was sie selbst nicht begreift.
„Auf See“ von Theresia Enzenberger ist komplex, aber auch gradlinig. Es erzählt keine neue Geschichte, aber so wie sie erzählt wird, gab es sie noch nicht: in vielem innovativ, so wie auch die Seestatt, aber dann auch wieder altbekannt. Es werden wichtige Themen beleuchtet wie Sekten, Glaubensgemeinschaften, Sinnkrisen und die drohende Unmöglichkeit in der Zukunft einen Lebensraum zu besitzen, den man auch bezahlen kann. Das alles vereint Theresia Enzensberger und macht eine runde Geschichte daraus, die alles enthält, was einen guten Roman ausmacht: ein bisschen Liebe, ein bisschen Intrige, Chaos, Lüge, Entwicklung. Die Perspektivwechsel und das langsame Entblättern der Wahrheit macht es einem schwer, den Roman zur Seite zu legen und gerade die gut gezeichneten Frauen gefallen mir sehr. Sprachlich ist es gut, nicht übermäßig poetisch, aber solide abliefernd und in dem Kontext passend. Das Einzige was mich etwas gestört hat, war das Gendern. Nicht das gegendert wurde (das ist mir sehr wichtig), sondern das mal nicht und dann doch. Das hat mich etwas stocken lassen. Wirklich schaden, tut es „Auf See“ aber nicht. Es ist ein gelungener, etwas futuristisch anmutender Roman, der zeigt, dass die Zukunft näher ist, als wir glauben.