Ein rätselhaftes Leben

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Eine recht ungewöhnliche Geschichte, die uns Tom Rachman in seinem neuen Roman erzählt.
Eine Geschichte über eine seltsame, ruhelose Kindheit, über die Zuverlässigkeit von Bindungen, die Sehnsucht nach Wurzeln. Ein Roman sowohl über Freundschaft wie über Verrat und Täuschung. Und nicht zuletzt ein Buch über ein heimatloses, quasi globalisiertes Leben.
Es ist die Geschichte von Matilda, genannt Tooly, Zylberberg. Und Tom Rachman nähert sich ihr auf drei Zeitebenen, in die er abwechselnd eintaucht.
In der Gegenwartsebene, 2011 angesiedelt, lernen wir Tooly als Inhaberin eines verwunschenen kleinen, ziemlich erfolglosen Antiquariats im walisischen Caergenog kennen. Dort arbeitet sie mit dem liebenswerten, aber ziemlich verpeilten Fogg zusammen inmitten Tausender Bücher oder streift durch die raue walisische Landschaft.
Da erreicht sie eine Email ihres ehemaligen Freundes Duncan, der sie bittet, nach New York zu kommen, da es ihrem Vater gesundheitlich sehr schlecht gehe. Auch wenn Tooly sich nicht sicher ist, wen Duncan mit "dein Vater" meint, kommt sie nach einigem Überlegen dieser Bitte nach...
Die zweite Zeitebene zeigt Tooly 1988 als kleines Mädchen. Ruhelos zieht sie mit ihrem verschrobenen Vater Paul durch die Welt. Maximal ein Jahr dauert dessen Arbeit an den unterschiedlichsten Schauplätzen, dann werden die Zelte abgebrochen. Im Moment leben sie gerade in Bangkok, da taucht ihre Mutter mit einem charismatischen Betrüger und einem Schach spielenden Russen auf...
Die letzte Zeitebene umfasst das Jahr 1999/2000. Tooly ist eine junge Frau in New York, lebt dort mit dem Russen Humphrey und geht eine Liebesbeziehung mit Duncan ein. Aber vieles in ihrem Leben ist nicht so, wie es zu sein scheint...
So komplex, vielschichtig und zunächst verwirrend sich das anhört, ist der Roman auch. Aber Tom Rachman führt den Leser bei der Hand und nach und nach kommt immer mehr Licht ins Dunkel, entfaltet sich die traurige Geschichte Toolys, die, als Kind Spielball der Erwachsenen, nie eine wirkliche Heimat, zuverlässige Bindungen, ja noch nicht einmal ihre wahre Geschichte gekannt hat. Als erwachsene Frau nun hat sie die Möglichkeit, ihr eigenes Leben neu zu sehen, Licht in dunkle Ecken ihrer Kindheit zu bringen, Dinge und auch Beziehungen neu zu bewerten. Ja, vielleicht sogar die Chance endlich sesshaft zu werden. An einem Ort, aber auch mit einem Menschen.
Rachman schildert wunderbar eigenständige, skurrile Personen und Orte, flicht Zeitgeschichte und Psychologisches geschickt ein und schafft es so, dass der Leser diesem eigentümlichen, eigentlich traurigen, aber oft auch mit viel warmem Humor geschilderten Leben über mehr als zwanzig Jahre oder 488 Seiten fasziniert, berührt, verwundert und auch beglückt folgt.