Einfach betörend - ???

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kainundabel Avatar

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Tooly Zylberberg ist Besitzerin einer kleinen Buchhandlung in einem kleinen Ort in Wales. Sie hat sich damit einen Lebenstraum erfüllt, auch wenn der Laden nur Defizite beschert. Zusammen mit ihrem etwas skurrilen Angestellten Fogg hat Tooly mangels Kunden sehr viel Zeit zum Lesen. Gleich zu Beginn der Handlung wird der Leser mit diesen Lebensumständen vertraut gemacht und hat durchaus den Wunsch, mehr über Tooly zu erfahren. Das liefert der Autor Tom Rachman auf den folgenden fast 500 Seiten nach. Toolys Biografie ist durchaus ungewöhnlich, wurde sie doch vom eigenen Vater entführt, ihm später wieder entrissen und wuchs an unterschiedlichsten Orten in Asien, Europa und Amerika auf. Als bunt und vielfältig erweist sich auch das Personentableau, mit dem es Tooly zu tun bekommt. Da ist der kauzige Humphrey, der Sachbücher und Schachspielen liebt, die undurchschaubare Sarah, der junge Duncan und der exentrische Venn, der sich mit Vorliebe aushalten und irgendwann nichts mehr von sich hören lässt.
Tooly versucht, ihrem eigenen Leben nachzuspüren, um es verstehen zu können. In Dekadenschritten erzählt der Autor das Leben des Mädchens und der Personen, die es begleitet haben. "Einfach betörend" lautet lt. Umschlagseite die Kritik des "Guardian" und Christopher Buckley von "The New York Times Book Review" beurteilt das Buch als "so gut, dass ich es zweimal lesen musste, um zu begreifen - wie er das zustande gebracht hat". Ich kann mich beiden Kritikern nicht anschließen. Über weite Strecken fand ich die Handlung zäh und langatmig, zwar hier und da gespickt mit originellen Einfällen, vielfach aber auch mit unerheblichen und für den Fortgang der Geschichte belanglosen und nicht nachvollziehbaren Einzelheiten. Mir sind die Figuren seltsam fremd geblieben, zu keinem konnte ich Empathie aufbauen. Der vermeintliche Bogen, der von den 1980er Jahren über die Jahrtausendwende bis zur Gegenwart, vom Ende des Kalten Krieges zu Aufstieg und Schwanken Amerikas bis zur digitalen Revolution geschlagen werden sollte, hat sich mir beim Lesen überhaupt nicht erschlossen. Ein hehrer Anspruch, dem das Buch nicht gerecht wird. Roger Willemsen sagte einmal: "Wenn ein Buch langweilig ist, muss es nicht am Buch liegen". Vielleicht trifft das hier zu. Geduld habe ich zumindest genug bewiesen und das Buch bis zu Ende gelesen. Auf Seite 489 konnte ich dann aufatmen - geschafft!