Gute Idee, aber mit Längen

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kräuterhexe87 Avatar

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In einem kleinen, verschlafenen walisischen Städtchen nahe der englischen Grenze führt Tooly Zylberberg den antiquarischen Buchladen "World's End". Das Geschäft läuft nicht gut, so dass die junge Frau und ihr Mitarbeiter Fogg viel Zeit haben, sich über Gott und die Welt zu unterhalten. Die Tage scheinen in ruhiger Ereignislosigkeit dahinzuplätschern... Bis sich plötzlich ein Bekannter aus längst vergangenen Zeiten bei Tooly meldet und ihr mitteilt, dass es ihrem Vater nicht gut gehe. Aber welchen Vater kann er nur meinen? Sie macht sich kurzerhand auf den Weg nach New York und begibt sich auf eine Reise in ihre Vergangenheit, während der sich so einige Fragen klären, Wahrheiten ans Licht kommen und Illusionen zerstört werden. Denn Toolys Lebensgeschichte ist alles andere als gewöhnlich. Ohne Wurzeln und ohne echte Familie treibt es sie lange Jahre umher, einmal um die ganze Welt, bis der Zufall ihr die Verkaufsanzeige für den Buchladen in die Hände spielt und sie endlich anzukommen scheint.

Ich habe Tom Rachmans Buch mit gemischten Gefühlen gelesen. Einerseits mochte ich besonders seine Art, Personen mit ihren Eigenheiten zu beschreiben. Die Charaktere wurden für mich dadurch sehr greifbar und lebensnah. Sie haben ihre Ecken und Kanten, machen Fehler, gehen auf ihre Weise mit der Unberechenbarkeit des Lebens um,... Okay, manchmal war das Buch mir eine zu große Ansammlung seltsamer Gestalten, aber Toolys Leben ist nunmal nicht gewöhnlich und das macht ja gerade diese Geschichte aus.
Sehr spannend fand ich auch den Wechsel zwischen drei Zeitebenen. Immer wieder kehrt der Autor in Toolys Kindheit zurück, springt dann reichlich zehn Jahre nach vorn, dann noch einmal, um im nächsten Kapitel wieder die Kindheit zu beleuchten. Personen tauchen auf und verschwinden, erscheinen vielleicht auf unerwartete Weise erneut oder bleiben verschollen, Städte ziehen vorbei. Da muss man sich als Leser schon ein bisschen konzentrieren, um nicht den Faden zu verlieren.
Genau darin liegt für mich auch das "Andererseits", das den Lesespaß manchmal gedämpft hat: Das Buch ist ein ziemlicher Wälzer und hat so seine Längen. Für meinen Geschmack dröselt sich stellenweise die Geschichte quälend langsam auf. Den Leser im Unklaren zu lassen, mag ja Spannung erzeugen, kann aber auch ein wenig frustrieren. Manchmal verwendet der Autor auch mehrere Seiten darauf, einen seiner Charaktere einen Vortrag über die weltpolitische Lage, die wirtschaftliche Situation der USA oder Ähnliches halten zu lassen. Das trägt zwar dazu bei, dass man die Person und ihre Ansichten besser kennen lernt, aber es bringt eben die Handlung nicht voran.

Deswegen vergebe ich 4 Sterne für ein ungewöhnliches, warmherziges und größtenteils spannendes Buch mit kleinen Schwächen.