Surfen ist sein Leben

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emmmbeee Avatar

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Die Liebe zum Meer wurde wohl schon im zarten Alter von vier Jahren in William Finnegan geweckt. Er beschreibt in seiner Autobiografie "Barbarentage" seine gelebte Leidenschaft zum Surfsport bis herauf in die Gegenwart. Freilich fällt es schwer, die 560 Seiten durchzuhalten, wenn man selbst keinen Schimmer von der Materie hat. Doch da der Text mit einer Vielzahl von persönlichen Fotos und erklärten Fachausdrücken angereichert ist, erfährt der Leser sehr viel über die ausgelebte Liebe des Autors zur wildesten Seite des Meeres.
Ausser rund um Europa hat er die grössten Wellen der Weltmeere geritten, hat sein Letztes gegeben, um etwa einem Slab standzuhalten oder bei einem allzu langen Waschgang nicht in Panik zu geraten, nur um zwei Beispiele dieser doch sehr gefährlichen Leidenschaft zu nennen. Finnegan gewährt tiefe Einblicke sowohl in den Wellenrausch als auch in das Frieren im tiefsten Winter. Im Wort "Leidenschaft" steckt schliesslich auch "leiden".
William Finnegan gelingt es, trotz Familie und Job einem Sport zu frönen, der an Besessenheit grenzt und unter Umständen gewaltig an die Substanz geht, sowohl physisch als auch finanziell. Mir gefielen die Passagen, wo Finnegan erzählt, wie er diverse historische Geschehnisse miterlebt hat. Es ist ein vielschichtiges Buch über den Werdegang eines Menschen, Verantwortung, Zwischenmenschlichkeit, über Suchen und Finden, Freundschaften und Kriegsjournalismus, und im Zentrum seines Kosmos befindet sich immer das Surfen.
Schön, dass Träume noch verwirklicht werden dürfen, und schön, dass jemand so spannend und klug davon zu erzählen imstande ist. Der Pulitzer Preis ist gewiss berechtigt.
Tanja Handels' Übersetzung kommt in leichtfüssiger, lebendiger Sprache daher, was aber nicht verhindern kann, dass man als Leser schnell mal genug hat und nach 30, 40 Seiten gern etwas anderes zur Hand nimmt. Es ist kein Buch, das man verschlingen kann, da es schliesslich kein Roman, sondern ein Sachbuch ist. Und so empfehle ich, es wie ein solches zu geniessen, in individuell verträglichen Happen oder Häppchen.