Erfüllt nicht ganz die Erwartungen

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lunamonique Avatar

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Nach „When we were the Kennedys“ ist „Bevor die Welt erwacht“ das neueste Werk der Autorin Monica Wood. Ein elfjähriger Junge stellt das Leben der 104jährigen Ona Vitkus auf den Kopf.

Ona Vitkus wurde ein elfjähriger Pfadfinder für die Hilfe in Haus und Garten zugeteilt. Bald entwickelt sich eine innige Freundschaft. Für ein Schulprojekt nimmt der Junge Onas Lebensgeschichte auf Band auf. Verrückt nach Weltrekorden überredet Onas neuer kleiner Freund sie, gleich zwei Herausforderungen anzunehmen, und es ins Guinnessbuch der Rekorde zu schaffen.

Als Einleitung in die Geschichte dient die erste Bandaufnahme. Der Junge bleibt im Hintergrund und mischt sich mit keinem Wort sondern nur, wenn nötig, mit Handzeichen ein. Handlungswechsel, Quinn vertritt seinen Sohn bei Ona. Was ist geschehen? Die Freundschaft zwischen der 104jährigen und dem elfjährigen Einzelgänger mit den schrägen Gewohnheiten berührt. Durch die Bandaufnahmen erfährt der Leser etwas über die Treffen, innige Verbindung der beiden und viel über Onas Leben. Ona erzählt ihrem kleinen Freund mehr, als sie jedem anderen anvertraut hat. Warum wird der Junge nicht beim Namen genannt? Dieser Schachzug der Autorin bleibt rätselhaft. Bei seiner Familie und seinem näheren Umfeld hat der Junge Eindruck hinterlassen. Vater Quinn kam mit dem besonderen Verhalten seines Sohnes nicht klar. Das ständige Zählen, umfangreiche Wissen über Weltrekorde. Warum hatte eine alte Dame eine innigere Beziehung zum Sohn als der Vater? Die Geschichte wirft Fragen auf und versucht sie zu beantworten. Es geht um Trauer, Abschied, Verlust, Freundschaft, Familie und Liebe. Verlorene Zeit lässt sich nicht zurückholen. Der Junge hat bei Ona einen besonderen Lebensfunken ausgelöst. Plötzlich gibt es wieder Herausforderungen und Ziele. Onas Ehrgeiz ist geweckt. Kann sie die Erwartungen des Jungen erfüllen? Jeder, der dieses Buch liest, hätte diesen besonderen Jungen wohl gerne kennenlernen wollen. Der Junge ist ein Außenseiter ohne Freunde. Das Buch lehrt, dass jeder Mensch etwas Besonderes ist. Jemand, der sich aus der Masse abhebt und am Rand steht, kann trotzdem sehr liebenswert sein. Leider entwickelt die Geschichte nicht die erwartete Intensität. Das liegt auch daran, dass der Junge viel zu früh von der Bühne abtritt und nur noch in Erzählungen auftaucht. Die Emotionen der Eltern lassen sich nachempfinden. Quinn hat Belle zu oft enttäuscht. Später rückt er immer mehr in den Vordergrund. Unterhaltungswert hat die sture und eigensinnige Ona. Innerlich ist sie viel jünger. Interessant sind die Weltrekorde, die für Auflockerung sorgen. Das traurige Schicksal des Jungen lässt nicht viel Humor zu. Jeder der Akteure hat mit dem Verlust zu kämpfen. Auf der einen Seite ist der Aufbau der Geschichte gelungen, auf der anderen Seite schwappen die Emotionen nicht so stark auf den Leser über. Bis auf ein Geheimnis fehlt es an Überraschungen. Mehr Atmosphäre hat das letzte Drittel des Buches. Auch der Ausklang ist sehr gelungen.

Das Cover mit dem kreativen Fokus auf den Jungen, dem roten Hintergrund und zur Geschichte passenden Details hat Anziehungskraft. Eindruck hinterlässt auch der Titel. Autorin Monica hat zu sehr den Schwerpunkt auf den Aufbau der Geschichte gelegt und dabei ein paar Feinheiten vernachlässigt. Zwar kann „Bevor die Welt erwacht“ die Erwartungen nicht ganz erfüllen, es bleibt ein Buch, dem eine Chance gegeben werden darf. „Plötzlich war sie stolz auf ihr unbedeutendes Leben, diese eintönige Halskette aus Kunstperlen, zwischen denen gelegentlich eine echte aufblitzte. Der Junge wandte seinen Blick nicht von ihr ab, als wäre sie eine Preisfärse, und so fühlte sie sich auch: rund und gesund, sauber und gut gebürstet, eine todsichere Gewinnerin.“