Maskuline Verstörung

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merkurina Avatar

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Zwei Vorbemerkungen: 1. Ebenso wie ein Buch, das ich kürzlich las - und das im ländlichen Lettland spielt - wurde mir die Lektüre auch dieses Buches aus der amerikanischen Provinz irgendwann zäh. Nachdem ich mich in beiden Werken zuvor durchaus in die je eigene provinzielle Atmosphäre interessiert eingefunden hatte. 2. Langsam ist das Leben auf dem Land und hat viel mit Tieren, Landschaft, Alltag, kleinen Dialogen zu tun - dennoch ist die Atmosphäre der beiden Bücher ganz unterschiedlich gewesen. "Der Brunnen" von Regina Ezvera, sanft und melancholisch erzählt, wurde in der Reihe "Die Frau in der Gesellschaft" veröffentlicht, absurderweise übrigens. Erst Recht müsste dann dieses Buch "Männerliteratur" heißen aus der Reihe "Der Mann in der Gesellschaft". Aber das passiert natürlich nie.

Also: Ja, am Ende war ich froh, dass es rum war. Die allerletzten Seiten gingen wieder, und ganz flink wird dann alles scheinbar gut - wenn die Eltern endlich wieder unter der Haube sind, kann auch der Sohn ein ganz ordentliches Studentenleben beginnen...
Zuvor: Ganz schön rauh und ruppig, beginnend mit einem Katzenmassaker, immer wieder Gewalt ... kriegerische, sexualisierte, übergriffige... sprachliche sowieso. Männlichkeitsriten und -ausbrüche von denen ich gehofft hätte, sie sind in den 50er und 60er Jahren zurückgeblieben. Wohl kaum - das Buch spielt in der Bush-Ära. Dazwischen ein Protagonist, der das alles wie durch einen Nebel zu erleben scheint, der häufig entfremdet / irritiert / verstört wirkt, der das so wohl nicht will, der dennoch mitläuft, nicht anders kann. Wie ein Protokoll aus der persönlichen Vergangenheit wirkt das, unkommentiert, wortkarg im Emotionalen, so wie August auch als wortkarg gilt. Dabei in einer literarischen Sprache, genau und poetisch den Landschaften gegenüber...
Es ist im Prinzip ein gutes Buch, denn die Abbildlichkeit dieser verstörten und verstörenden Männlichkeit zeigt sie zugleich in ihrer ganzen Katastrophik. Hier wird nichts beschönigt, nichts entschuldigt, nichts motiviert. Hier wird ein schwaches Geschlecht gezeigt, das seine Schwäche erlebt, aber nichts verändern kann ... das vielleicht zurück will zu den Amish und Hutterern, deren archaisch-patriarchale Welt eine erstaunlich ausführliche Rolle spielt.
Es ist ein gutes, unfassbar ehrliches Buch, wurde mir aber im letzten Viertel wirklich mühselig zu lesen. Ich liege in mienr Bewertung zwischen drei und vier Punkten, dass es doch nur drei werden, hat der Autor nicht zu verantworten. Sondern: Lieber Suhrkamp-Verlag, wer Leser*innen mag, investiert in ein Lesebändchen bei gebundenen Büchern, das ist ein so freundlicher Service für die Lektüre. Wenn ich genau in der Mitte zwischen zwei Bewertungspunkten liege, dann gibt eben das fehlende Bändchen den Ausschlag.