Berührende Familiengeschichte

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
monika85 Avatar

Von

In seinem neuen Roman "Bis die Sonne scheint" erzählt Christian Schünemann die persönliche Geschichte seiner Familie.  

Wir schreiben das Jahr 1983, der 14-jährige Ich-Erzähler Daniel Hormann lebt mit seinen Eltern Siegfried und Marlene sowie den Geschwistern Boris, Angela und Corinna in einem Bungalow in einem kleinen Ort nahe Bremen. Das Flachdach des Hauses ist undicht, und das eindringende Regenwasser muss mit vielen Gefäßen aufgefangen werden. Das Geld für eine Dachreparatur fehlt, dennoch träumt Daniel von einem schicken Outfit für den Tag seiner Konfirmation, die bald ansteht. Es soll ein nachtblaues Samtjackett sein mit weinroter Fliege und steingrauer Flanellhose. Doch die Hormanns sind pleite, die Konten sind gesperrt, der Gerichtsvollzieher war bereits bei ihnen. Die vom Vater vertriebenen Wasserfilter verkaufen sich nicht gut, und auch das von der Mutter eröffnete Wollgeschäft erzielt nicht den erhofften Umsatz. Wie es um ihre Finanzen bestellt ist, darf niemand wissen, auch die Großmütter nicht. Die Hormanns bemühen sich, den schönen Schein zu wahren und leben trotz der angespannten finanziellen Situation weiter wie in den guten Zeiten.

Der Autor beschreibt nicht nur das Leben der sechsköpfigen Familie und ihren finanziellen Absturz, sondern blättert auch die Vergangenheit der beiden Großmütter Lydia und Henriette auf. Er geht zurück in die Zeit, als Siegfried und Marlene sich ineinander verlieben und heiraten. Siegfried, der als technischer Zeichner im Staatsdienst arbeitet, ist bald als freier Architekt tätig und gründet seine eigene Firma, die Bauherren dazu verhilft, durch Eigenleistungen kostengünstig Eigentum zu erwerben. Es geht der Familie wirtschaftlich sehr gut, und Siegfried kann seinen Traum, ein eigenes Haus zu bauen, verwirklichen. 

Die Geschichte ist in schöner Sprache, teilweise mit viel Humor erzählt und liest sich sehr flüssig. Der Zeitgeist der achtziger Jahre ist ganz wunderbar eingefangen, die Charaktere sind authentisch und bildhaft beschrieben. Meine Lieblingsfiguren waren Marlenes Mutter Lydia und Zoe, Daniels Freundin. An Siegfried und Marlene schätzte ich ihren Mut, beruflich immer wieder neue Wege zu gehen, hatte jedoch wenig Verständnis für ihren Umgang mit Geld. Gut gefallen hat mir, dass Daniel seine Geschichte in neutralem Ton erzählt, ohne seinen Eltern Vorwürfe zu machen. 

Auch wenn die Rückblenden über die Vergangenheit der Großmütter sehr viel Raum einnehmen, fand ich es spannend und berührend, die Lebenswege der Protagonisten zu verfolgen und habe mich sehr gut unterhalten gefühlt.