Klasse wie immer. Aber das Munch-Museum ist einfach Mist

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alexandros Avatar

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Was mir vom neuesten Harry Hole nachdrücklich in Erinnerung geblieben ist, ist das hässliche Munch-Museum. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen, aber mindestens drei Mal hat Jo Nesbø seine diesbezügliche Aversion deutlich zum Ausdruck gebracht. Darauf habe ich selbstverständlich gegoogelt, und, ja, wirklich schön ist das Museum nicht.

Harry Hole hat nun unter Jo Nesbøs Feder schon einiges erleiden müssen. Im letzten Teil wurde seine Frau von einem seiner besten Freunde ermordet, der sich daraufhin selbst das Leben genommen hat. Da musste Harry selbstverständlich wieder zur Flasche greifen. Zu Beginn des 13. Bandes der Reihe sehen wir Harry also im selbstgewählten Exil in L.A., wie er drauf und dran ist, sich selbst ins Jenseits zu befördern. Zuerst versucht er es mit dem Alkohol; dann legt er sich mit ein paar zwielichtigen Typen an, die es auf seine mütterliche Freundin Lucille abgesehen haben. Sie schuldet ihnen Geld.

Just zu diesem Zeitpunkt steckt die Osloer Kriminalpolizei mal wieder in der Klemme. Ein Serienmord deutet sich an. Eigentlich ein Fall für Harry, aber mit seiner Vergangenheit ist er für die Ex-Kollegen ein rotes Tuch. Da trifft es sich gut, dass der Hauptverdächtige im aktuellen Mordfall ein hohes Tier der norwegischen High Society ist. Er kann sich prinzipiell alles leisten, vor allem finanziell. Zuerst den teuersten Anwalt, dann den noch teureren Privatermittler. Denn Harry erkennt seine Chance, Lucilles Schulden zu begleichen, um sie aus den Fängen des Untergrunds zu befreien.

Zu Beginn porträtiert Nesbø seinen Protagonisten zu schlimm wie nie. Halb tot, Alkoholiker durch und durch. Aber sobald er norwegischen Boden betreten hat, scheint er wie durch Zauberhand wieder hergestellt zu sein. Das ist ein wenig unrealistisch. Man lässt es Nesbø aber durchgehen. Auch, dass Harry sich mal wieder ein paar Mal irrt, was den Täter betrifft. Woher hat er eigentlich seinen guten Ruf? Am Ende wird das damit erklärt, dass der Täter in dem Sinn ja kein richtiger Serienmörder gewesen sei. Geschenkt.

Weshalb ich trotzdem die volle Punktzahl vergebe? Weil es ein Nesbø ist; weil es ein Harry Hole ist. Pageturner könnte man wohl sagen. Auf typische Art endet fast jedes Kapitel mit einem Cliffhanger. Man kann gar nicht anders als weiterzulesen. Grandios ist das Finale: Wie bei einem Triell im klassischen Western platziert Nesbø drei Pärchen, ohne bis ganz zum Schluss Namen zu nennen. So kann man noch eine Weile miträtseln, kann sich an Indizien erinnern sowie eins und eins zusammenzählen. Und ganz am Ende natürlich wieder ein Cliffhanger, der auf einen 14. Band hoffen lässt.

Kleiner Tipp: Da Harry für seine Mission zehn Tage Zeit bleiben, sind die Kapitel jeweils mit dem Wochentag angegeben. Ich habe mir entsprechend Post-its an die Stirnseite geklebt, mit einem Freitag begonnen und dann immer jeweils bis zum nächsten Tag gelesen.

Fazit: Was Harrys Zustand betrifft, ist die Reihe mittlerweile sehr unrealistisch geworden. Trotzdem freue ich mich jedes Mal, wenn ein neuer Band rauskommt. Auch "Blutmond" lohnt sich und beschäftigt für zehn Tage mit bestem Nervenkitzel.