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Was ist das bekannte Muster bei Krimis und Thrillern? Richtig, ein Paukenschlag zum Auftakt, die Angst eines Menschen, der bedroht, verletzt oder getötet wird, kurz gesagt Spannung. Und wie sieht es bei der „Blutstein“ aus? Der Roman von Johan Theorin hat auch Spannungsmomente zum Auftakt, aber die fallen nicht ganz so aus, wie bei anderen Krimis. Vielleicht ist das ja ein besonderer Reiz – vielleicht auch nicht. Wie lesenswert ich die „Blutstein“ finde, dazu gibt es nun Stück für Stück mehr.

 

 

Inhaltsverzeichnis:

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1. Der Autor: Johan Theorin

2. Ort und Zeit der Handlung

3. Die Hauptfiguren

\*\*\*a) Per Mörner

\*\*\*b) Jerry

\*\*\*c) Gerlof

\*\*\*d) Vendela

4. Die Geschichte

5. Themen

\*\*\*a) Geheimnisse der Vergangenheit

\*\*\*b) Beziehungsfragen

\*\*\*c) Elfen und Trolle

6. Erzählweise

7. Art der Übersetzung

8. Zielgruppe

9. Daten zum Buch

10. Pro & Contra

11. Fazit

 

 

1. Der Autor: Johan Theorin

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Was ist ein Maßstab für die Bekanntheit eines Autors? Ein ganz interessanter Faktor ist, ob man über Wikipedia mehr über ihn oder sie erfahren kann. Schon manch unbekannte Leute haben sich selbst in das kostenlose Online-Lexikon eingestellt. Johan Theorin sucht man bei Wikipedia (bislang – Stand Januar 2011) vergeblich. Hier könnte und sollte vielleicht der Verlag ein wenig Öffentlichkeitsarbeit machen ... 

Dafür wird man auf anderen Seiten dann doch noch fündig. Theorin ist Schwede, geboren 1963 in Göteborg. Eigentlich ist er kein ganz Unbekannter. Sein erster Roman Öland wurde direkt zum internationalen Erfolg. Die Geschichte wurde in 13 Sprachen übersetzt und erschien auf Deutsch bei Piper. Der Krimi sollte Auftakt für eine vierteilige Reihe sein, die auf der Insel Öland spielt, der Insel, auf der auch der Autor seine Sommer verbringt. Blutstein ist der dritte Teil dieser Reihe.

 

 

2. Ort und Zeit der Handlung

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Einen Hinweis auf den Ort der Handlung habe ich damit ja schon gegeben. Der Hauptschauplatz von Blutstein ist die schwedische Insel Öland. Sie wirkt verwunschen, deswegen ist ja auch eines der später noch zu erwähnenden Themen „Elfen und Trolle“. Die Zeit ist die Gegenwart.

 

 

3. Die Hauptfiguren

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\*\*\*a) Per Mörner

Per Mörner, von seinem Vater „Pelle“ genannt, ist einer von mehreren zentralen Charakteren der Geschichte. Per hat zwei Kinder, Zwillinge, den stets mit seiner Spielkonsole zockenden Jesper und die kranke Tochter Nilla. Per und seine Frau leben getrennt. Die Kinder sollen einige Zeit bei Per auf Öland verbringen, wo Per ein Haus geerbt hat.

Ein Stück weit wirkt Per wie ein „Verlierer“: Er hat nicht nur seine Frau an einen reicheren, erfolgreicheren Mann verloren, er scheint auch immer ein paar Schritte hinter seinem Vater gewesen zu sein, der ihn auch jetzt noch wie einen kleinen Jungen behandelt.

Der Autor Johan Theorin schaltet zwischen verschiedenen Charakteren hin und her. Per ist für mich noch die Figur, die mir am sympathischsten ist und die ich am liebsten verfolge.

 

\*\*\*d) Jerry Morner

Auch wenn die Nachnamen nicht identisch sind: Jerry MORNER ist der Vater von Per Mörner. Jerry heißt eigentlich Gerhard Morner, doch um in der Filmwelt internationaler zu wirken, hat er sich umbenannt – und als Jerry Pornos produziert. Jetzt ist er über 70 und seit einem Schlaganfall gehandicapt, Jerry kann nur noch schlecht sprechen und schlecht gehen. Er fühlt sich verfolgt und in Gefahr. Daher nimmt Per Jerry bei sich auf.

 

\*\*\*d) Gerlof

Gerlof lebt zunächst in einem Altenheim, will dort aber nicht auf den Tod warten und beschließt, in sein altes Haus auf Öland zurück zu kehren. Dort fallen ihm die Tagebücher seiner verstorbenen Frau in die Hände. Und auch auf andere Weise kommt Gerlof auf Öland mit der Vergangenheit in Berührung und damit, dass seine Frau von einem Troll schreibt, der ihr begegnet sein soll.

Gerlof bleibt mir – ähnlich wie Gerlof – als Figur oberflächlich und fern.

 

\*\*\*c) Vendela

Sie ist die einzige Frau in der Reihe der Charaktere, die im Blutstein im Fokus stehen. Trotzdem kommt Vendela mir als weiblicher Leserin nicht wirklich nah. Sie wirkt reich und exzentrisch. Sie und ihr Mann haben ein komfortables Haus auf Öland gekauft. Früher hatte Vendelas Vater hier einen Hof, als Kind musste sie Kühe hüten und hat von den Elfen geträumt. Auch jetzt taucht sie wieder in die Gedanken an fabelhafte Wesen ein und konzentriert sich darüber hinaus (trotz ihrer schlanken Figur) auf Abnehmen und Joggen.

 

 

4. Die Geschichte

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Was macht eine gute Geschichte aus? Figuren die fesseln, sind ein Salz in der Suppe. Würze gibt aber auch eine spannende Geschichte, eine gute Sprache. Am Anfang scheint „Blutstein“ diese Voraussetzungen zu erfüllen. Insbesondere für Per Mörner geht es spannend los. Er ist eine Person mit Problemen (seine Tochter ist Krankenhaus, er ist getrennt, er muss sich im Leben neu orientieren).

Dann wird es auch noch richtig dramatisch. Es knallt, ein Auto kommt auf den Parkplatz zu, auf dem Per und sein Sohn Jasper grade sind, Blut ist auf der Windschutzscheibe des Wagens, das Auto bewegt sie auf den Holzcontainer zu, auf dem Jasper in sein Spiel vertieft sitzt. Bis zu diesem Punkt ging die erste Leseprobe von „Blutstein“ auf Vorablesen.

Danach kehrt ähnlich idyllische Ruhe ein wie die, die man wahrscheinlich auf der Insel Öland erlebt. Man ist bei Gerlof, dem älteren Herrn, der auf die Insel zurück kehrt, auf der er früher mit seiner Frau gelebt hat und der die Tagebücher seiner Frau nun, nach ihrem Tod, liest.

Man ist bei Vendela, einer Frau, die reich und gelangweilt wirkt. Früher, als Kind, musste sie auf Öland die Kühe ihres Vaters hüten, was sie nicht sonderlich mochte und floh in Gedanken in die Welt der Elfen. Jetzt ist ihr Leben offenbar wieder eher mit Banalitäten gepflastert, sie sorgt sich um ihr Gewicht – auch wenn es dazu offenbar keinen Grund gibt – und sie joggt.

Und dann taucht noch Jerry auf. Per und sein Vater haben keinen guten Draht zueinander. Eigentlich wollte Per Jerry auch vor seinen Kindern fern halten. Doch dann kommt eine Art Notruf von Jerry. Per fährt zu ihm, entdeckt, dass es in dem Bau, in dem Jerry sein Büro hatte, brennt. Er rettet den Vater und nimmt ihn mit nach Öland. Dort blamiert der ältere, nach einem Schlaganfall schon fast sprachbehinderte Mann seinen Sohn – indem er ein Pornoheft auf den Tisch legt und mit Gesten verkündet, dass er Porno-Filme produziert wird.

Danach dümpelt die Geschichte wieder vor sich hin, mit der joggenden Vendela, mit ihren Gedanken an die Elfen und mit viel, viel Ruhe.

Erst gegen Mitte des Buches passiert ein wenig etwas. Doch ob das reicht, die sehr gemächliche Phase am Anfang aufzuwiegen?

 

 

5. Themen

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\*\*\*a) Geheimnisse der Vergangenheit

Man ahnt, dass die beiden jüngeren, Per und Vendela, aber auch und grade die beiden älteren, Gerlof und Jerry Geheimnisse in der Vergangenheit haben, die für die Geschichte irgendwann eine Rolle spielen.

Bei Vendela stellt sich eine ganze Zeit lang die Frage, was es wohl mit ihren Kindheitserinnerungen und ihren Träumereien von Elfen auf sich hat und ob es irgendwann ein einschneidendes Erlebnis gab.

Bei Per ist die Frage, was sein Verhältnis zu seinem Vater so zerrüttet hat. War es nur die Tatsache, dass Jerry Pornos gedreht hat? Oder hängt der Bruch zwischen Sohn und Vater mit etwas anderem zusammen, was Jerry getan hat und was ihn nun in Gefahr bringt?

Und was ist mit Gerlof? Er liest in den Tagebüchern seiner Frau, mit der er glücklich war. Verbrigt sich auch darin noch ein unschönes Geheimnis?

Die Erwartung, dass noch etwas hinter der Ruhe von Öland, hinter den Alltäglichkeiten des Lebens der Figuren steckt, ist ein Anreiz, die Geschichte überhaupt noch weiter zu lesen.

 

\*\*\*b) Beziehungsfragen

Beziehungen gibt es ja auf den verschiedensten Ebenen – egal ob zwischen Paaren, Eltern und Kindern, Freunden und Nachbarn.

Wahrscheinlich sind es die Eltern-Kind-Beziehungen, die bei Theorin am meisten eine Rolle spielen. Da ist zum einen das bereits erwähnte zerrüttete Verhältnis zwischen Per und Jerry. Per ist zwar für den Vater da, fühlt sich mit ihm aber unbehaglich – sowohl den eigenen Kindern gegenüber, als auch vor den Nachbarn. Doch auch Pers Verhältnis zu seinen eigenen Kindern hat – durch die Trennung von Per und seiner Frau – gelitten. Per fühlt sich auch als Vater dem neuen Freund seiner Ex-Frau unterlegen.

Bei Vendela sieht es auch nicht so rosig aus. Sie wuchs zwar bei ihrem Vater auf, hatte aber offenbar keinen wirklich vertrauensvollen, offenen und herzlichen Draht zu ihm.

In beiden Fällen kann man sich fragen: Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen Beziehungsfragen und dem, was vielleicht noch passiert ...

 

\*\*\*c) Elfen und Trolle

Wenn man über Skandinavien spricht, fallen einigen neben schönen Landschaften sicher auch wundersame Wesen wie Elfen und Trolle ein. Die märchenhaften Figuren sind verbunden mit schönen Geschichten, aber auch mit dem Etikett, des phantastischen, unwirklichen und damit einer Welt für Kinder. Einerseits passt es (in das Klischee Skandinaviens), dass in einem schwedischen Roman auch von Elfen die Rede ist. Andererseits passt es nun auch wieder nicht, denn für einen Krimi ist es ungewöhnlich, wenn z.B. eine der zentralen Figuren (hier Vendela) so

fest an Elfen glaubt und auch als erwachsene Frau noch über sie sinniert.

Ein Troll kommt bei einer anderen Frau zum Zuge, bei der verstorbenen Frau von Gerlof, die von einem Troll schrieb.

Der Kampf von Elfen und Trollen soll auch für eine rote Schicht im Gestein auf Öland verantwortlich sein, sie soll diesen Felsen den Namen „Blutstein“ eingebracht haben – Blut von den widerstreitenden Elfen und Trollen. Aber vielleicht hat alles auch eine wissenschaftliche Erklärung und die rote Schicht ist einfach Eisenoxid ...

 

 

6. Erzählweise

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Ein markanter Punkt der Art und Weise wie Johan Theorin seinen Roman „Blutstein“ erzählt, ist die Tatsache, dass er mit verschiedenen Handlungssträngen arbeitet. Er schaltet zwischen mehreren Charakteren hin und her. Dieses Vorgehen ist dann gut, wenn alle Figuren gleichermaßen stark sind. Leider ist das meiner Meinung nach bei dieser Geschichte nicht der Fall. Mich persönlich hat in erster Linie Per Mörner interessiert, vieles von dem, was über Vendela und ihre Gedanken über Trolle und Elfen zu tun hatte, hat mich gelangweilt. Schade!

 

 

7. Art der Übersetzung

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Da ich der schwedischen Sprache nicht mächtig bin, kann ich die Originalfassung nicht beurteilen. Aber die deutsche Version, übersetzt durch Kerstin Schöps, scheint mir gelungen, ich konnte keine sprachlichen Ungereimtheiten oder Unsauberkeiten feststellen.

 

 

8. Zielgruppe

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„Blutstein“ ist ein Roman für Menschen die die Ruhe mögen, die die Geduld haben, die kleinen Details des Alltags beschrieben zu bekommen und das Durchhaltevermögen, trotz dieser Alltgsbeschreibungen weiter zu lesen. Außerdem ist es wahrscheinlich etwas für Freunde der  skandinavischen/schwedischen Krimi-Kultur.

Mir persönlich hat die Geschichte zu wenig Tempo, zu wenig Handlung.

 

 

9. Daten zum Buch

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Blutstein: Kriminalroman [Gebundene Ausgabe]

Johan Theorin (Autor), Kerstin Schöps (Übersetzer)

Gebundene Ausgabe: 445 Seiten

Verlag: Piper (4. Januar 2011)

ISBN-10: 3492054188, ISBN-13: 978-3492054188

 

 

10. Pro & Contra

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Pro

- Figur Per Mörner

- Charaktere haben (vermutlich) Geheimnisse

 

Contra

- Ruhe

- Ruhe

- noch mehr Ruhe

- andere Charaktere sind eher schwach

 

 

11. Fazit

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Johan Theorins „Blutstein“ hat mich persönlich enttäuscht und meine Vorurteile darüber, dass skandinavische Krimis nicht mein Fall sind, leider bestätigt.

Die Leseprobe der Geschichte war gut. Sie war etwas anders gestrickt als die amerikanischen Krimis von Gerritsen oder Slaughter, die ich sonst gerne lese. Doch anders muss nicht immer schlecht sein. Leider war es nach dem zunächst durchaus spannenden Auftakt nur noch ruhig, sehr ruhig. Theorin verzettelt sich in Alltagsbeschreibungen, er präsentiert Figuren wie Vendela, die mit ihrer Ruhe, ihrem Selbstmitleid und ihren Erinnerungen an Elfen eher spinnert wirkt als interessant. Da erscheint ein Per Mörner als getrennt lebender Vater, der sich um seine kranke Tochter Nilla sorgt und ein schwieriges Verhältnis zu seinem ebenfalls nicht mehr gesunden Vater Jerry hat, reizvoller. Leider wechselt Theorin zwischen den Figuren, so dass man als Leser nur teilweise an der Seite von Per ist und zu einem genauso großen Teil an der der uninteressanteren Vendela oder an der von anderen ebenfalls in weiten Teilen nicht wirklich erhebenden Figuren wie Jerry oder Gerlof.

Erst zur Mitte des Buches gewinnt die Geschichte etwas an Fahrt, erst dann kommt es zu Ereignisen, die mich als Leserin ein Stück weit gepackt haben. Aber leider nur ein Stück weit.

Wer Skandinavienkrimis mag, wer vielleicht auch schon andere Bücher aus Theorins Öland-Reihe gerne gelesen hat, wird möglicherweise auch Blutstein gut finden. Wer normalerweise lieber etwas temporeichere Geschichten liest, wird wahrscheinlich eher von der Ruhe des Blutsteins eingeschläfert.

Ich kann für diesen Roman drei Sterne vergeben, würde die Geschichte aber persönlich nicht weiter empfehlen.