Spurensuche im Land der Elfen und Trolle

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Im März, der Zeit der Schneeschmelze, sind auf der schwedischen Insel Öland die meisten Sommerhäuser noch verschlossen. Per Mörner holt das bescheidene Häuschen am Rand eines Steinbruchs aus dem Winterschlaf, das er vom Cousin seiner Mutter geerbt hat. Mörner kommt aus einem ernsten Grund nach Stenvik auf Öland. Er wird hier zusammen mit Sohn Jesper wohnen, während Tochter Nilla zur Untersuchung im Krankenhaus ist. Kurz nach Mörner zieht auch der pensionierte Kapitän Gerlof wieder in das Sommerhaus seiner Familie am Steinbruch. Gerlof ahnt, dass er bald sterben wird und will seine letzten Tage nicht im Altersheim verbringen. In Gerlofs Nachbarschaft sind zwei luxuriöse Villen neu gebaut worden. Eines der Häuser haben Vendela und Max gekauft. Max will auf der Insel nach seinem Herzinfarkt in Ruhe ein Buch schreiben. Auch Vendela beginnt zu schreiben, ihr Thema sind die Elfen, an die man auf Öland schon immer glaubte. Aus der Zeit der blutigen Kämpfe zwischen Trollen und Elfen soll der Blutstein im Steinbruch stammen, eine Schicht rötlicher Einlagerungen von Eisenoxid. In ihren Elfengeschichten träumt Vendela sich in eine eigene Welt ohne Konflikte. Vendela wirkt angespannt, ihre Ängste und Süchte belasten die Beziehung zu Max. Vendela ist in Stenvik aufgewachsen. Ihr Vater arbeitete wie Pers Onkel im Steinbruch. Die mutterlos aufwachsende Tochter führte den Haushalt und versorgte zu Hause einen Körperbehinderten. Während Max in seinen Büchern das einfache Leben auf dem Land idealisiert, war es für Vendela  harte Realität.   

In Pers Leben platzt überraschend ein Anruf seines Vaters Jerry. Seit einem Schlaganfall kann Jerry sich nur schwer verständigen, so dass Per die in einzelnen Worten hervorgestoßenen Andeutungen nicht gleich versteht. Per hat stets Distanz zu Jerry gehalten, doch nun bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich um seinen aufgeregten Vater zu kümmern. Bei seiner Ankunft sieht Per gerade noch Jerrys Film- und Fotostudio in Flammen aufgehen; Per selbst kann sich erst in letzter Minute aus den Flammen retten. Nur widerwillig nimmt Per nun seinen Vater bei sich im Sommerhaus auf. Bei einer Fete in Vendelas Haus kommt es zum Eklat. Jerry ist in Schweden kein Unbekannter, er hat Porno-Filme und -Fotos produziert. Der Brandanschlag auf Jerrys Studio, bei dem es mindestens einen Toten gab,  hat offensichtlich mit seiner früheren Tätigkeit zu tun. Die Namen zweier Männer, die Jerry immer wieder verzweifelt ausstösst, sagen Per zunächst noch nichts. Per beginnt auf eigene Faust zu ermitteln; die Untersuchungen der Polizei spielen in der Handlung nur eine Nebenrolle. Weil Vendela zur gleichen Zeit in Stenvik aufwuchs, in der Gerlofs Frau ein ausführliches Tagebuch schrieb und Gerlof Ellas Tagebücher gerade in aller Muße liest, lässt sich die Verknüpfung zwischen Ereignissen der Vergangenheit und der Gegenwart ahnen. Das Aufwachsen mit nur einem Elternteil in einfachen Verhältnissen und die Legenden, die sich um den Steinbruch ranken, verbinden Vendela und Per stärker als beiden zunächst bewusst ist. Gerlof, der "ein wenig" recherchiert, trägt schließlich ein entscheidendes Indiz zu den Ermittlungen bei und stellt zudem als Person die Verknüpfung zu Theorins Vorgängerbänden Öland und  Nebelsturm dar. Gerlof ist in diesem Frühling körperlich schon sehr geschwächt, so dass mit Spannung und ein wenig Wehmut der Abschluss der Reihe mit einem letzten Sommer auf Öland erwartet werden kann. 

Die Hauptrolle spielt in Johan Theorins Kriminalroman wieder die Insel Öland, so als sei die Krimihandlung nur der Vorwand für seine stimmungsvolle Beschreibung der Naturgewalten und des besonderen Lichts über dem Meer. Breiten Raum nimmt der Aberglaube um den Elfenstein ein, den einzigen Ort, an dem Vendela als Kind Trost finden konnte, indem sie sich etwas  von den Elfen wünschte. In die Sorgen Pers um seine schwerkranke Tochter Nilla platzen alte Geschichten seines Vaters, für die Per sich zutiefst schämt und mit denen er lieber nichts zu tun gehabt hätte. Die Fäden der Handlung laufen lange Zeit parallel, so dass sich allmählich eine leise Spannung aufbaut. Die Auflösung des Falls in dieser magischen Umgebung wirkt glaubwürdig.  Theorins geruhsame Erzählweise und die gründliche Entwicklung seiner Charaktere hat mich im dritten Band des Öland-Quartetts wieder in ihren Bann gezogen. Den eigentlichen Kriminalfall empfinde ich als Nebensache, stärker haben mich die Verknüpfungen von Vendelas Erinnerungen an ihre Kindheit und Ella Davidssons Tagebuchaufzeichnungen fasziniert.