Bayerisches Sittengemälde

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Wenn der Leser diesen Provinzkrimi aufschlägt, wird er genau damit konfrontiert: mit tiefster bayerischer Provinz. Dorfleben vom Feinsten mit all seine Facetten wie Klatsch, Tratsch, durchgeknallten Charakteren und Geheimnissen hinter opulenten Fassaden.
Die Leiche taucht gleich auf den ersten Seiten auf, wenig ansehnlich, aber das stört die Drumherumstehenden überhaupt nicht. Die Witwe ist gleich zur Stelle und gibt einen bühnenreifen Trauerauftritt, der jegliche wirkliche Trauer arg vermissen lässt. Wichtiger ist, was die anwesenden Besserwisser dazu beizutragen haben: jede Menge Erkenntnisse vorgebracht im breiten Dialekt. Da stockt einem Nicht-Bayern schon manchmal der Lesefluss.
Nun ist das mit dem Bayerischen so eine Sache. Netter Klang im Gesprochenen und ähnlich wie die plattdeutsche Sprache in der Lage, Unfreundlichkeiten hübsch zu verpacken, dass die eigentliche Beleidigung nicht so reinschlägt. Und davon gibt es in Bogners Text jede Menge. Sprachliche Kämpfe, bei denen die Attacken dem Leser nur so um die Ohren fliegen. Häufig ist kein Bezug zur Aufklärung des Mordfalls zu erkennen, so wird dem Dialekt gefrönt. Erst ab der zweiten Romanhälfte nehmen die Ermittlungen Fahrt auf und die Geschichte kommt weiter. Es ist, als ob die "Kriminaler" erstmal wach werden mussten.
Die Geschichte ist gut ausgedacht und die Sache mit dem Karpfen bleibt lange im Dunkeln. Wichtige Erkenntnisse kommen quasi im Nebensatz heraus und ertrinken in bayerischer Schwärmerei.
Der Provinzkrimi lebt von dem bayerischen Dialekt, der dem Ganzen eine gewisse Würze verleiht und Nicht-Bayern einen guten Einblick in die örtliche Mentalität liefert. Würde die Geschichte auf Hoch-Deutsch geschrieben sein, sie hätte keinen Charme, wäre nüchtern und knochentrocken.
Die Sprache und der Inhalt eines Romans sollten zueinander passen und sich ergänzen, so hat jedes Genre eigene Stilelemente, die einer eigenen sprachlichen Form bedürfen. Beim störrischen Karpfen hat die Sprache nichts mit dem Inhalt zu tun. Die Geschichte lebt einzig durch den Dialekt, bei dessen Grammatik Herr Duden im Grabe rotieren würde. Es müsste aber keine Krimi sein. Ein Gesellschaftsroman wäre genauso möglich, wie eine Studie über das Leben auf dem Dorf.
Von beidem finden sich Anklänge in dem dennoch unterhaltsamen Provinzkrimi.