Nachhallend in leisen Tönen

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edda Avatar

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Bullauge – ein Psychogramm der Abgehängten

Das Auge des Polizisten Kay Oleander wird auf einer aus dem Ruder gelaufenen Demonstration von einer geworfenen Flasche verletzt. Seitdem ist er versehrt und als Streifenpolizist untauglich bezeichnet. Dieser Roman zeigt seine Gedanken hierzu und sein Umgehen daraufhin mit der Welt. Durch Kays Gedankengänge und Sinnierungen bekommt man schnell Eindruck von seiner Psyche. Er, der durch diesen unglücklichen Zufall aus dem normalen Alltag geworfen ist, beginnt nachzuforschen, wer an seinem Unglück Schuld sein könnte. So stößt er auf eine Demonstrantin, die auf den Überwachungskameras eine Flasche in der Hand hält und dadurch verdächtig erscheint - , Via Glaser. Diese ältere Frau, so entpuppt es sich, ist vor Jahren selbst in einen Unfall, diesmal mit einem heranrasenden Polizeiwagen ,verwickelt worden und hat, so sagt sie, kein Recht bekommen. Seitdem geht sie am Stock. Die beiden Versehrten geben sich Halt und beginnen, einen Fall aufzuklären, der in der rechten Szene geplant ist.
Die Geschichte entblättert sich durch Kay Oleanders Gedankengänge nach und nach. Sinn ist es zum Leben zurück zu kehren, Kay versucht es und seine Zweifel führen ihn weiter und weiter zum Wesentlichen. Wer ist nach diesem aus der Lebenssituation gefallenen Protagonisten noch Freund, wer nicht? Was bedeuten die Zufallsbegebenheiten und Begegnungen? Wie ändern sich die Wahrnehmungen durch diese Kontakte? Friedrich Ani entwirft genau in diesen leisen Tönen die Spannung. Die Darsteller sind übersichtlich.
Friedrich Ani besticht durch Metaphern, Gleichnisse. (Das Bullenauge – das Auge des Bullen – oder wie ist es gemeint?)

War ich tief berührt von „Letzter Ehre“ blieb ich hier distanzierter. Mag es an der dunklen Befindlichkeit des Protagonisten liegen? Zu ihm kam keine wirkliche Sympathie auf.
Lange Selbstbetrachtungen von Kay ermüden; Zweifel, innere Dialoge und Widerstände der Außenwelt. Der Anfang zieht sich eher mühselig voran. So wie Kay selbst mit seiner Situation klar kommen muss, ist es für den Leser ähnlich eine Herausforderung, dem zu folgen. Ist dies ein bewusstes stilistisches Mittel? Nach der Gewöhnung an die Sprache entwickelt sich die Spannung zögerlich, bleibt aber für mich dann auf einem Level. Der Schluss ist stimmig und auch überraschend und erleichtert durch die Aufklärung – den Protagonisten und den Leser.

Dennoch ein Roman mit Sog, das Durchhalten wird belohnt durch die Eindringlichkeit und das Nachhallen in einem selbst. Was ist Gerechtigkeit, wie gehen wir selbst mit Schicksalsschlägen um? Wem soll man vertrauen, wo liegt die Wahrheit, wo findet man Heimat, wie den Frieden mit sich? Der Roman regt an zum Nachdenken über die Gesellschaft, Gerechtigkeit und Zufälle, gibt Anregungen nah am politischen Zeitgeschehen.

Friedrich Ani überrascht in jedem seiner Romane, von denen wir in der Art der Ausführung leise und eindringlich berührt werden – ein Meister seines Fachs.