Beklemmend

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frenx Avatar

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Sechs Personen werden in einem Bunker gefangen gehalten. Sechs Personen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: die neunjährige Jenny, der 70-jährige Physiker, ein Geschäftsmann und eine Geschäftsfrau, ein Heroinabhängiger und ein 16-jähriger Junge namens Linus.
Das Buch ist aus Linus‘ Sicht geschrieben. Es handelt sich um seine Aufzeichnungen ab dem Tag, wo er in den Bunker gekommen ist. Linus ist von zuhause abgehauen, lebt in London auf der Straße, bis er von einem Unbekannten in einen Hinterhalt gelockt, betäubt und entführt wird. In einem Bunker wacht er auf, und nach und nach kommen die anderen Gefangenen durch einen Aufzug in den Bunker. Sie werden mit Kameras und Mikrofonen rund um die Uhr bewacht.
Der Aufzug ist die einzige Möglichkeit für die Gefangenen, mit ihrem Peiniger zu kommunizieren. Sie teilen ihre Wünsche mit, und wenn sie Glück haben, erhalten sie, was sie sich wünschen. Zum täglichen Ritual wird das Warten auf den Aufzug, immer in der Hoffnung auf Lebensmittel und andere notwendige Dinge. Von ihrem Entführer wissen die sechs Personen überhaupt nichts. „Er spielt mit uns“, ist sich Linus sicher. Und dieses Spiel wird immer gefährlicher. Denn als die sechs versuchen, aus dem Bunker zu fliehen, rächt sich ihr Entführer auf brutale Weise. Zunächst mit dem zweitweisen Entzug von Essen und dem Ausschalten der Heizung. Doch dann wird aus dem Spiel ein Kampf um Leben und Tod.

Kevin Brooks hat mit „Bunker Diary“ ein radikales literarisches Experiment gemacht. Eindringlich hat Brooks das Leben im Bunker beschrieben. Die Konflikte, die Langeweile, der Gestank: man kann es sich richtig vorstellen. Ein Sinnbild für die fragile Gemeinschaft ist der Moment, wo sich alle auf ein Stück gebratenes Fleisch stürzen, das im Aufzug steht. Ähnlich wie im „Herr der Fliegen“ fragt er, was Menschen sich gegenseitig antun, wann sie die Humanität aufgeben, wie weit sie bereit sind zu gehen. Dabei hält sich Pessimismus und Optimismus die Waage: die eine Hälfte der Bunkerinsassen zieht sich zurück und kümmert sich nur um sich selbst, während die andere Hälfte füreinander da ist.

Brooks geht es ausschließlich über die Gemeinschaft im Bunker. Erklärungen, weshalb jemand sechs Personen einfach so entführt, liefert er nicht. Das Buch gibt darauf keinerlei Antworten. Das mag ehrenwert sein, vor allem, wenn sich Brooks – so schreibt er in seinem Kommentar zum Buch – sich gegen den eigenen Verlag durchsetzte. Aber als Leser will man doch wissen, wer nun die anderen ermordet hat und wer nun dieser Entführer ist.

So gar nicht überzeugt hat mich, was Brooks über den Sinn seines Buches schreibt. Warum soll die Geschichte nichts Negatives mehr haben, wenn man sich klar macht, dass jeder Mensch einmal sterben muss? Was für ein Unfug, wenn Brooks dann noch den billigen Rat gibt, aus seinem Leben deshalb das Beste zu machen.

Brooks‘ Buch ist nichts für schwache Nerven. Es ist beklemmend, verstörend. Und es lässt einen verstört und beklemmt zurück.