Zeitreise als Chance

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scarletta Avatar

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Was würdet Ihr tun, wenn plötzlich auf dem heimischen Klavier eine Visitenkarte eines merkwürdigen Kinos liegen würde, das „Filme, die nirgends laufen, die du aber schon immer sehen wolltest“ verspricht.
Die zwölfjährige Cato hat gute Gründe zu dieser Visitenkarte zu greifen, und sich auf den Weg zu machen. Sie trifft auf einen „lost place“, denn das Kino ist seit Ewigkeiten geschlossen und sehr mysteriös.

Aber warum zieht es Cato überhaupt dorthin? Daheim fühlt sich Cato wie viele Teenager nicht wirklich gewollt. Da ihre Mutter bei Catos Geburt verstorben ist, lebt das Mädchen allein mit ihrem Vater. Ihre Mutter kennt sie nur von einem Foto, der Vater erzählt seiner Tochter nichts von ihr. Die Beziehung zum Vater ist für Cato sehr belastend. Er ist tief in einer fast depressiven Stimmung versunken und scheint eigentlich nur körperlich anwesend. So steht er als Bezugsperson nicht zur Verfügung. Die Stimmung daheim ist also alles andere als fröhlich. Auch die – teilweise etwas nervige - Nachbarin Cornelia, die sich gelegentlich um die beiden kümmert, kann diese Situation nicht aufhellen, da sich Teenager Cato durch sie nur belästigt fühlt.

Catos einsames Leben ist schwierig, aber der Vater, die Nachbarin oder die Mitschüler haben es auch nicht so leicht mit Catos pubertären Verhalten.
Das verlassene Kino und die geheimnisvolle Frau Kano, von der die Visitenkarte stammt, bieten Cato einen Ausweg aus dieser Situation. Denn an diesem verlorenen Ort ist es möglich, mit Hilfe von Frau Kano und dem Filmprojektor durch Zeit und Raum zu reisen. Man muss nur einen bestimmten Gegenstand mitbringen, der einem mit einem Moment in der Vergangenheit verbindet. Jetzt muss sich Cato eigentlich nur zu einer Zeitreise trauen, denn es gibt einen Menschen, der ihr fürchterlich fehlt, und dem sie noch nie persönlich ins Angesicht geblickt hat. Sie muss einfach nur das Kleid ihrer Mutter nehmen, um die Antworten zu bekommen, die ihr der Vater nicht zu geben vermag. Für diesen Schritt braucht sie viel Mut.

Fazit
Ich finde es schön, mal ein Kinder- und Jugendbuch aus der Feder eines niederländischen Schriftstellers vorstellen zu können. Yorick Goldwijk schreibt hier für eine Leserschaft ab 10 Jahren. Wobei ich vielleicht den Roman lieber Teenagern im Alter der Protagonistin in die Hand geben würde.
Das fantasievolle, bewegte Cover scheint am Anfang eher ein Kontrast zur Ausgangssituation der jungen Cato zu sein. Aber es zeigt auf, in welche Richtung das Mädchen auf seiner Entwicklungsreise aufbrechen wird.
Auch wenn Cato durch die traurigen Verhältnisse gelegentlich ungerecht und aggressiv werden kann, vermag man sich sehr gut und voller Zuneigung in sie hineinversetzen. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, sich in die Gefühlswelt eines pubertären Teenagers hineinversetzen. Hier können junge Leser*innen bestimmt gut andocken.

Man bekommt hautnah mit, wie sich Cato durch ihre kurzen Abenteuer in der Vergangenheit verändert. Auch die anderen Charaktere machen einen deutliche Veränderung mit, entkommen ihrer Lethargie, brechen auf in ein anderes Leben. So kann die Verbindung von Cato und ihrem Vater wieder wachsen.

Die Zeitreisen sind sehr berührend dargestellt. Es sind immer ganz persönliche Momente und Erlebnisse, die einer Heilung bedürfen, zu denen die Menschen reisen. Ganz ohne Risiko sind diese Reisen nicht. Man kann sich durchaus verlieren und darf den Bezug zur Realität nicht verlieren. Das ist sehr spannend.

Diese Mischung aus Tragik, Schwermut, Aufbruch, mysteriösen Begegnungen, fantasievollen Zeitreisen, herzerwärmenden emotionalen Begegnungen, positiven persönlichen Entwicklungen und durchaus auch Humor ist sehr abwechslungsreich. So vermittelt die Geschichte den Leser*innen, dass man sich mit Mut und Zuversicht Schwierigkeiten entgegenstellen kann. Veränderung ist immer möglich.