Die Finsternis war überall

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joberlin Avatar

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Was habe ich mit diesem Buch eigentlich gelesen. Eine Novelle? Einen Thriller? Ein Psychogramm? Zen-Meditationen über ein naturverbundenes einfaches Leben? Esoterisches Geschwätz?

Zunächst beeindruckt der Roman mit einer ausgesprochen schönen, poetischen Sprache:
“Die Nacht war vergessen, verschwunden in der Masse der ereignislosen Nächte, aus denen das gewohnte Nichts besteht, das dunkle, verhangene Leben”. Das gefällt und so macht die Lektüre einfach nur Freude.

Doch nicht nur künstlerisch fein ziseliert ist diese Sprache, mit seinem ruhigen Ton versteht der Autor es ausgezeichnet, eine bedrohliche, über allem schwebende Stimmung zu erzeugen. Und das ist der Plot: Mutter, Vater, Kinder besuchen ein neu erworbenes Ferienhaus auf dem Land. Der Ort, die Dorfbewohner wirken seltsam, oder sind sie nur distanziert? Rathgeb beschreibt viele unheilverkündende Vorzeichen, er erzählt von einer sich langsam entfaltenden Geschichte auf den “zahlreichen achtlos überschlagenen Seiten im Dossier des Lebens, deren spätere Folgen nicht mehr zu übersehen sind, jetzt da ein Unglück geschehen ist” - ja, etwas Verderbliches schwebt über der Familie.

Doch leider - die ständig geradezu beschwörerischen Andeutungen des drohenden Unheils verkehren sich nach und nach in ihrer Wirkung in genau das Gegenteil. Gelangweilt lese ich weiter, ich erwarte das Unglück nur noch halb so dringlich, mit zunehmenden Abgleiten ins Mystische nimmt mein Interesse ab. Zwar passiert dann ein Unglück und es wird weiter in schöner Sprache zum Beispiel über damit zusammenhängende Depressionen geschrieben (so spricht Rathgeb vom ansteigenden Wasserspiegel des schwarzen Flusses der Traurigkeit, von der Angst, die unbemerkt wie ein großer Vogel hoch oben in der Baumkrone saß, die Flügel ausbreitet und sich vor die Sonne schiebt), doch mich kann das alles nicht mehr wirklich erreichen und auch die späte Einführung des geheimnisvollen Cooper in die Geschichte ist mir zu diesem Zeitpunkt schon ganz egal.

Der Schluss des Romans, etwas an Marlen Haushofers “Die Wand” erinnerend, verliert sich schließlich endgültig in einer verquasten “cooperschen” Esoterik: da ist dann vom Übergang auf die “andere Seite” die Rede, der Lebenslauf ist Vorsehung, das Schicksal ist vorher beschlossen, der Mensch selbst hat daran kein Zutun noch Schuld, er zieht auf seiner Bahn dahin wie die Gestirne am Himmel, der Wille ist eine Notlüge des Lebens, nur in der Natur liegt das Gute und die Gerechtigkeit.
Für mich ist das unerträglicher, spiritistischer Quatsch, so bin ich am Ende froh, das kleine Büchlein aus der Hand legen zu können. Im letzten Absatz lese ich dort “ O Gott, wie ist mir kalt, es tut so weh”. Und ganz genau so empfinde ich auch.